Macht schenken glücklich?
Staunende Gesichter, leuchtende Kinderaugen im Schimmer des Weihnachtsbaums, darunter Geschenke, verpackt in Glitzerpapier. Farbige Bänder glänzen. Das Drängen der Kinder – noch ein Lied singen, bevor endlich die Geschenke ausgepackt werden dürfen ...! Dabei ist die eigene Ungeduld und Vorfreude auf die Reaktion des Kindes beim Auspacken genauso gross.
Einen Menschen mit einem Geschenk zu überraschen und damit Freude zu bereiten, das macht uns glücklich. Das Staunen und die Begeisterung, dass ein sehnlicher Wunsch endlich in Erfüllung gegangen ist, hinterlässt ein tiefes Glücksgefühl beim Schenkenden. Was steckt dahinter? Welche Gründe gibt es dafür? Was sagt die Psychologie zu diesem Thema?
Helfen, teilhaben, schenken
Die Macht des Gebens kennen wir schon aus Kindertagen. Einem Menschen eine Freude zu bereiten, ihm zu helfen, jemandem einen Gefallen zu tun, macht uns stolz, füllt uns aus, macht uns glücklich. Schon kleine Kinder erkennen solche Gelegenheiten mit sicherem Gespür: Dem weinenden Bruder den Nuggi in den Mund stecken, im Kindergarten dem Gspänli beim Anziehen der Jacke helfen, einen Znüni zum Teilen dabeihaben.
Helfen und schenken stärkt die sozialen Bindungen. Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Bindung ist eines der wichtigsten Grundbedürfnisse des Menschen. Und Schenken ist eine Form, Beziehungen zu pflegen und zu stärken. Ein passendes Geschenk auszuwählen erfordert Einfühlungsvermögen, Empathie. Die Voraussetzung für die Treffsicherheit ist, sich mit dem zu beschenkenden Menschen zu beschäftigen, ihn zu beobachten, ihn zu kennen, damit die Überraschung gelingt. Das Gefühl, gesehen und erkannt zu werden, trägt viel zur Freude an einem Geschenk bei.
Mit einem Geschenk Freude zu bereiten bedeutet für uns selbst Bestätigung, und damit ist die Steigerung des eigenen Selbstwerts verbunden. Auch das ist eines der wesentlichen Grundbedürfnisse des Menschen: den Selbstwert steigern. Mit unserem Selbstwert sind wir ständig beschäftigt. Im Laufe eines Tages steigt und sinkt er, ausgelöst durch Feedback, das wir laufend in Begegnungen und sozialen Kontakten empfangen. Unser Selbstwert steigt, wenn wir uns grosszügig und einfühlsam erleben. Die freudestrahlenden Augen des Beschenkten teilen uns mit: «Alles richtig gemacht!» Das fördert ein positives Selbstbild.
Im Dopamin-Hoch
Schenken ist eine Art Kommunikation, eine Sprache der Liebe. Mit einem Geschenk drücken wir unsere Wertschätzung und Zuneigung zu einem Menschen aus. Eine Freundin erzählte mir kürzlich, sie habe tagelang darüber nachgedacht, welches Rasierset sie ihrem Liebsten schenken solle. Die Auswahl sei riesig, und sie litt unter der Unsicherheit, welches Design ihm am besten gefallen würde. Ich verstand diese Sorge nicht so richtig. Ich nahm an, ihr Gefährte würde sich sowieso freuen über die Idee und die Überraschung. Da spiele das Design keine so wichtige Rolle. Doch ihr war wichtig, seine Vorlieben zu verstehen und seinen Geschmack zu treffen. Für die Auswahl des passenden Geschenkes war sie bereit, viel Zeit aufzuwenden. Es wurde vom Geliebten dann auch entsprechend geschätzt. Ein persönliches Geschenk verstärkt die emotionale Bindung zueinander. Da ist eine Karte mit liebevollen Worten und Wünschen oft viel wirkungsvoller als ein teures Geschenk.
Das Belohnungssystem des Gehirns spielt eine entscheidende Rolle bei der Erklärung, warum Schenken glücklich macht. Wenn wir anderen eine Freude bereiten, schüttet unser Gehirn Dopamin aus, einen Neurotransmitter, der mit Belohnung und Glücksgefühlen in Verbindung steht. Dieses Dopamin-Hoch verstärkt das positive Gefühl des Schenkens und fördert somit die Wiederholung dieses Verhaltens. Überraschungsgeschenke haben oft eine noch stärkere Wirkung auf das Glücksempfinden. Die Freude des unerwartet Beschenkten kann zu intensiven positiven Emotionen beitragen.
Schenken bereichert eigenes Leben
Kurzum: Das Schenken hat tiefe psychologische Wurzeln. Es macht uns aus verschiedenen Gründen glücklich. Es stärkt soziale Bindungen, fördert das Selbstwertgefühl, aktiviert das Belohnungssystem des Gehirns, fördert die Empathie und dient als Form der Kommunikation. Die Freude am Schenken ist nicht nur eine einfache Handlung, sondern ein komplexes emotionales Erlebnis, das unser Wohlbefinden in vielerlei Hinsicht bereichert. Daher sollten wir die Kunst des Schenkens pflegen und schätzen, denn sie bereichert nicht nur das Leben der Beschenkten, sondern in besonderem Masse auch unser eigenes.
Macht schenken glücklich?