News aus dem Kanton St. Gallen

Zwinglis Ratschläge an die Jugend

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26.04.2017
Zwinglis Schrift zur Erziehung zielt nicht primär auf den Erwerb von Wissen, sondern auf ganzheitliche Menschwerdung. In den drei Teilen geht es um die Beziehung zu Gott, zu sich selber und zu den Mitmenschen.

Die «Lebenslehren des ersten Teils» sind der Beziehung zum Himmel gewidmet, der Verankerung des ganzen Lebens im Glauben an Gott. 

Vorweg der zentrale Gedanke der Reformation: Nicht wir Menschen ermöglichen den Glauben. Das macht allein Gott, der uns im Geist stets schon nahe zu sich gezogen hat. Darum können wir beten und uns von Gott erleuchtet finden. 

Gott ist aus der sichtbaren Welt zu erkennen. Wie ein Haus auf einen Baumeister schliessen lässt, so weist der «ganze Riesenbau der Welt» auf Gott. Darum wird «unser Jüngling lernen, dass die Vorsehung Gottes für alle Dinge sorgt, alles anordnet und alles bewahrt».

Allerdings wird der Jüngling erkennen, dass seine Laster und Affekte ihn von Gottes Vollkommenheit trennen. Er ist darum auf die Gnade, auf das Licht des Evangeliums angewiesen. Dieses Licht ist Christus. «Obwohl er so vollkommen und gross ist, ja selber Gott, ist er dennoch der Unsrige geworden … er ist unser Beistand, unser Bürge, Fürsprecher, Mittler.» 

Wer dieses Geheimnis des Evangeliums erfasst, wird aus Gott neu geboren und will, wie Gott, das Gute tun. Er wird «lernen, ein guter Mensch zu werden, der so unbescholten wie möglich und Gott so ähnlich wie möglich lebt».

Selbsterziehung und Fechten

Für die im Glauben bestärkte Seele kommt es jetzt darauf an, «dass sie sich auch im Innern zur Gänze schön schmückt und ordnet» – am besten dadurch, dass sie «Tag und Nacht über das Wort Gottes nachsinnt (Ps 1,2)». Zwingli wünschte sich, dass der Jüngling dies in den Ursprachen der Bibel, in Hebräisch und Griechisch, tun könnte, «denn mit dieser Ausrüstung kann jeder mit einer demütigen und wissensdurstigen Gesinnung zur himmlischen Weisheit vordringen». 

Allerdings soll der Jugendliche sich im Schweigen üben, «bis sein Verstand und seine Sprache … richtig übereinstimmen». Auch Christus sei erst mit 30 Jahren aufgetreten. Ausführlich widmet sich Zwingli der Redekunst. Betonung, Mimik und Gestikulation gelte es «mit einer unaffektierten, einfachen und ehrlichen Bescheidenheit zu mässigen». Weitere Abschnitte beziehen sich auf das rechte Mass beim Trinken und Essen und auf Bescheidenheit bei der Bekleidung oder im Umgang mit Geld und Ruhm. Auch erklärt Zwingli, wie man «sich vor dem Irrsinn der Liebe» bewahrt und sie in gute Bahnen bringt.

Das Fechten verurteilt er nicht, weil er sieht, «wie gewisse reich begüterte Leute sich dauernd um diese Pflichtübung drücken, die dem Gemeinwohl dient. Der Christ aber soll sich der Waffen gänzlich enthalten, soweit dies beim Zustand und beim Frieden des Staates möglich ist». Zwingli erinnert an David und Goliath, wo Gott die unbewaffneten Israeliten bewahrte. «Aber wenn es ihm anders richtig scheint, so wird er unsere Hand bewaffnen. Denn er selbst rüstet unsere Hände zum Kampf.»

Der Dienst am Gemeinwohl

Die «Lebenslehren des dritten Teils» sind dem Leben in der Gemeinschaft gewidmet. Wie Christus der Unsrige geworden ist, «so musst auch Du Dich allen dahingeben und nicht glauben, Du seist der Deinige, sondern der anderen; denn wir sind nicht dazu geboren, um für uns zu leben, sondern um allen alles zu werden». 

Es geht Zwingli um den Zusammenhalt im christlichen Staat, darin der Leib Christi sich manifestieren will. «Wenn andern Glück zuteil wird, soll der Jugendliche glauben, es sei ihm geschehen, und ebenso beim Unglück. Denn er wird den Staat für eine Einheit halten, wie ein Haus oder eine Familie, ja, für einen einzigen Körper, in welchem sich die Glieder untereinander zugleich freuen, trauern, und sich gegenseitig helfen, so dass alles, was immer einem geschieht, allen geschieht (1. Kor. 12, 26).»  

Daraus ergeben sich im Umgang mit andern Menschen und in der Öffentlichkeit Verhaltensweisen, die dem Jugendlichen wie auch der
Gemeinschaft zum Wohl und Heil dienen. 

 

Text: Andreas Schwendener – Kirchenbote SG, Mai 2017

 

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