Zwänzger – Kirche neu erleben
Etwas von diesem Familiengefühl wird spürbar, wenn sich die Zwänzger-Besucher bereits am Bahnhof umarmen. Ich bin mit Julie angereist, einer Freundin aus Wil, SG. Wir waren tagsüber an der Universität, den Abend verbringen wir im Zwänzger. Kirche am Freitagabend? «Der Zwänzger ist wie eine Studentenparty. Viele junge Menschen, gute Stimmung, laute Musik, Barbetrieb, … aber diese einzigartige Atmosphäre unter Christen macht es aus», meint Julie.
Da werden wir von Neuankömmlingen unterbrochen, die nächste S-Bahn ist eingetroffen. Mit dabei ist Anja. Sie reist jeden Freitag aus Wil an. Warum sie den Weg auf sich nimmt? «Die Predigten sprechen mich an. Ich erkenne mich oft selbst darin wieder. Es geht um Themen, die speziell die jungen Erwachsenen und den Zeitgeist treffen.»
Freudige Stimmung
Unsere kleine Gruppe ist komplett, wir laufen die wenigen Schritte zur Samsung Hall. Dort findet gleichzeitig ein Konzert statt. Gar nicht so einfach zu sagen, wer ans Konzert von Lukas Graham und wer in den Zwänzger geht! Wir erwischen den richtigen Eingang und folgen der Masse hinein in den abgedunkelten Saal. Die Stimmung ist gelöst und freudig, die Begrüssungen gehen weiter. «Die vielen jungen Leute, das Treffen von alten Freunden aus der ganzen Schweiz, das ist einfach genial am Zwänzger! Am Sonntagmorgen fehlt mir diese grosse Zahl an jungen Menschen», erklärt Julie.
Es ist 20.15 Uhr, los gehts! Die Band eröffnet den Abend mit einer Lobpreiszeit. Sehr professionell, dem Zwänzger fehlt es nicht an Musikern mit Herz und Talent. Die Musik ist für mich einer der Hauptgründe, warum ich in den Zwänzger gehe. Augen zu, geniessen. Doch die Texte rütteln auf, wollen mehr als Transportmittel der Stimme sein. Sie aktivieren den Zuhörer und laden ihn ein in eine Anbetungszeit Gottes.
Dankbarkeit
Nach der Musik gehts über zur Predigt. Lea Hümbeli, IGW-Absolventin und Theologiestudentin an der Universität Zürich, spricht über die Kraft der Dankbarkeit. Ihre Predigt ist voll von Geschichten und spannenden Fakten. Sie weiss, wie sie die Gemeinde wach halten kann. Und wie zum Lachen zu bringen! Sie schafft es, Dankbarkeit nicht als Zeigefingertugend, sondern als Kraftquelle und Lobpreis zu präsentieren.
Zum Schluss wird ruhiger. Lea erzählt von Momenten, in denen sie wenig Grund zur Dankbarkeit sieht. Trauer, Klage, Schweigen scheinen angebrachter. In solchen Zeiten leuchtet für sie das Vorbild von Paulus und Silas auf. Als die beiden im Gefängnis sassen, begannen sie, Gott zu danken und ihm Lieder zu singen. Und siehe, die Gefängnistüre öffnete sich! Für Lea steht an diesem Abend nicht die wundersame Befreiung im Zentrum, sondern die Dankbarkeit, die in bedrängten Zeiten eine Türe zurück ins Leben öffnen kann.
Gemeinschaft
Der Abend klingt aus bei Gesprächen mit alten und neuen Freunden. «Diese Predigt war speziell gut!», meint Julie, und ich muss ihr zustimmen. Nicht immer sprechen mich die Predigten an. Teilweise sind sie mir zu fest aufs Handeln ausgerichtet und zu wenig im theologischen Nachdenken verwurzelt. Alltagstauglich, aus dem Leben junger Menschen gegriffen. Für
viele das grosse Plus der Zwänzger-Predigten. Julie meint aber, dass ihr nebst dem aktiven Christsein die Glaubenstheorie auch wichtig sei. Darum besuche sie weiterhin Sonntagsmorgengottesdienste ausserhalb des ICFs.
Ich geniesse meine Abende im Zwänzger, auch wenns nicht viele sind. Denn, obwohl ich nicht in allem gleicher Meinung bin wie das ICF, bin ich willkommen und darf mich mit guter Musik und toller Gemeinschaft beschenken lassen. Und das Faszinierende am Zwänzger? Er fordert mich heraus, meinen Glauben nicht nur auf meinen Kopf zu stützen, sondern in Liebe zu tränken und aktiv in der Gemeinschaft zu
leben – voller Freude, Begeisterung und jugendlichem Tatendrang.
Wieder am Bahnhof, trennen sich unsere Wege. Bis zum nächsten Mal, Stettbach!
Text: Florence Gantenbein (21), Theologiestudentin aus Bronschhofen | Foto: ICF – Kirchenbote SG, Mai 2017
Zwänzger – Kirche neu erleben