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«Wie ein göttlicher Funke, der in den Pinsel fliesst»

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22.12.2019
Kunst spricht die Seele an. Davon ist Pfarrer Thomas Beerle überzeugt. Durch seine Ausstellungen finden Menschen einen neuen Zugang zur Kirche.

Herr Beerle, Ihre erste Ausstellung in der Kirche Grabs hatte das Thema «Kunst verkündet». Was verkündet Kunst?
Thomas Beerle: Ein Kunstwerk hat eine Botschaft, allein dadurch, dass es da ist. Nämlich die Botschaft eines Gottes der Schönheit. Der Kunstschaffende ist ein Abbild des Kunstschaffenden Gottes. Ich war kürzlich an einer Vernissage einer jungen Künstlerin. Ich habe ein Aquarell angeschaut – es hat meine Seele berührt. Ich fragte die junge Frau: «Wenn du malst, was spürst du?» «Ich werde ruhig.» Das ist wie ein göttlicher Funke, der im Bild zum Ausdruck kommt, in den Pinsel der Künstlerin fliesst.

Ihre Ausstellungen haben aber immer ein bestimmtes Thema.
Beerle: Kunst transportiert auch Inhalte. Werte zum Beispiel. Wir leben in einer zerbrochenen Welt. Ich will Kunst zum Sprechen bringen, die tröstet, die Mut macht. In Altstätten haben wir im November eine Ausstellung gemacht zu Thema «Wort – Mut – Tat». 

Darf Kunst mutig sein und provozieren?
Beerle: Ja, aber nicht auf die zerstörerische Art, die mancher Kunstansatz heute hat. Das ist meine Meinung. Kunst darf zwar heftig kritisieren. Aber das braucht ein anderes Format, es passt nicht gut in eine Kirche.

Wie oft lehnen Sie Kunstwerke ab?
Beerle: Das kommt ab und zu vor. Bei grösseren Ausstellungen gibt es eine Jury. Manchmal wären die Leute zu fest abgelenkt. Man muss den Rahmen beachten: In einer Bar sind andere Dinge möglich als in einer Kirche. In der Kirche möchte ich auf das religiöse Empfinden der Leute Rücksicht nehmen.

Sie meinen freizügige Darstellungen?
Beerle: Genau. Aktdarstellungen würde ich höchstens mit Vorsicht in die Kirche bringen. Es kommt aber auch auf das Kunstwerk an. 

Sind Sie mit Ihren Ausstellungen seitens der Kirche auf Widerstand gestossen?
Beerle: Kaum. Jemand sagte: «Was macht der mit unserer schönen Kirche!» Eine andere Stimme meinte: «Das ist ja ein Riesenaufwand, ist das überhaupt sinnvoll?» Und ja, es ist ein grosser Aufwand, aber es ist echt sinnvoll – weniger für die Kerngemeinde als für Menschen, die den Bezug zur Kirche verloren haben. Wir müssen neue Wege finden, wie das Evangelium zu den Menschen hingeht.

Wie ist denn der Anklang bei Menschen, die wenig Bezug zur Kirche haben?
Beerle: Ich arbeite auch mit Künstlern zusammen, die mit Religion nichts am Hut haben. Eine Kirche an sich ist ja schon ein Kunstbau. Ich habe gemerkt: Die Kunstschaffenden sind fasziniert davon.

Und wie ist der Anklang bei den Besuchern?
Beerle: Der Anklang ist auch auf Besucherseite gross. Das Publikum ist eher kirchenfern. Eine Besucherin hat gesagt: «Wow, dass das möglich ist in einer Kirche, so etwas Schönes!» Sie hat einen neuen Zugang zur Kirche gefunden. 

Kunst hat den Ruf, abgehoben zu sein. Bedienen Sie ein elitäres Bildungsbürgertum?
Beerle: Nein, Kunst ist nicht abgehoben, nicht an den Ausstellungen, die ich organisiere. Ich beziehe die Menschen vor Ort ein, Schulklassen zum Beispiel. An der Ausstellung zum Thema «Tod – Leben» hat eine Schulklasse einen Tunnel gebaut, durch den man aus der Dunkelheit ins Licht kommt. An meiner ersten Ausstellung in Grabs habe ich eine Führung mit einer Schulklasse gemacht, Erst- oder Zweitklässler. Wir haben ein Relief angeschaut, das die Krippe mit dem Kreuz verbindet. Da stellt ein Kind die Frage: «Wieso blutet dieser Mann?» Ein anderes Kind antwortet: «Das ist Jesus, der hängt am Kreuz.» Ein drittes Kind ergänzt etwas, es entsteht ein Gespräch. So haben diese Kinder einander in drei Minuten die Grundzüge des Evangeliums erklärt.

 

Interview: Stefan Degen | Foto: Albert Brassel / zVg   – Kirchenbote SG, Januar 2020

 

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