Wettlauf im Glauben
Ski-Abfahrtsrennen in St. Moritz. Schneebedeckte Hänge. Die Piste ist präpariert und schnell. Die Stangen beschreiben die Route bergab mit engen Kurven, Wendungen und steilen Schussfahrten. Es braucht Mut und viel Können, um diese Strecke zu bewältigen. Und es braucht noch viel mehr Training, Disziplin, Ausdauer und so manche Entbehrung, um hier zu siegen. Das ganze Leben muss sich am Sport orientieren, wenn man ganz oben mitfahren will.
Stell Dir vor, Du könntest das!
Für die Zuschauer an den Hängen und vor den Fernsehern sieht die Abfahrt der Athleten mühelos und elegant aus. Es ist eine Augenweide. So ein Abfahrtsrennen macht gerade auf mich als Hobby-Skifahrerin Eindruck. Es zeigt mir auf, was in diesem Sport möglich ist, aber auch, wie weit ich von dieser Bestform entfernt bin. Und das Stimmchen der Sehnsucht flüstert mir ein: «So Skifahren zu können. Das wäre es! Stell dir vor, du könntest das! Etwas mehr Sport würde so oder so nicht schaden…» Und so werde ich vom Wettkampf der Profis motiviert, mich öfter auf die Skier zu stellen, bzw. das Fitnessstudio aufzusuchen oder die Joggingschuhe zu schnüren. Sportliche Wettkämpfe sind faszinierend und motivierend. Und das nicht erst seit gestern.
Schon in der Antike massen sich Sportler unter dem Jubel der zuschauenden Massen beim Laufen, Bogenschiessen oder Ringen. In Korinth taten sie es im Rahmen der Isthmischen Spiele. Und das Kräftemessen der Profis übte auch damals eine grosse Faszination auf die Leute aus. Man bewunderte die körperliche Verfassung der Spitzensportler, ihren Willen, ihre Disziplin und Leistungsfähigkeit. Man eiferte ihnen nach. Sportler waren Vorbilder.
Das hat auch Spuren in unserer Bibel hinterlassen. Paulus stellt der korinthischen Gemeinde die Sportler als Vorbild für das Glaubensleben vor Augen. Sportler als Vorbild für Gläubige? Warum denn das? Sollen wir jetzt um die Wette glauben? Es klingt fast so im Brief des Apostels.
«Etwas mehr Sport würde so oder so nicht schaden …»
In Anbetracht des Reformationsjubiläums schreit da mein protestantisches Herz: «Nein, das kann doch nicht wahr sein. Es geht doch im Glauben darum, sich von der Gnade Gottes beschenken zu lassen und nicht darum, in Glaubensdingen eigene Ziele in Bestzeit oder Bestform zu erreichen.» Auf den ersten Blick passt diese Sportparole gar nicht zu Paulus. Sonst schreibt er, dass wir nichts tun können, um Gott zu gefallen. Dass Gott uns ohne unser Zutun annimmt. Und jetzt heisst es: «Lauft so, dass ihr den Sieg davontragt.»
Vorbilder im Glauben werden
Aber vielleicht geht es Paulus gar nicht darum, dass wir als Erste ins Ziel kommen oder einen Wettkampf im Glauben beginnen. Paulus war Missionar. Sein oberstes Ziel war es, Menschen vom Glauben an Jesus Christus zu begeistern. Es geht ihm also um die Aussenwirkung, welche die Sportler beim Wettkampf auf die Zuschauenden ausüben: Wir als Christen sollen unseren Glauben mit gleicher Ernsthaftigkeit, Zielstrebigkeit, Ausdauer und Attraktivität leben.
Man soll uns anmerken, dass der Glaube unser Leben erfüllt bis in die letzte Faser. Wir sollen Vorbilder sein, die motivieren zum Glauben.
Text: Pfrn. Esther Marchlewitz, Rorschach | Foto: Alessandro Della Bella – Kirchenbote SG, Februar 2017
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