Wer soll die Kosten tragen?
Die Nachricht ging durch die Medien wie ein Lauffeuer. Vier Indonesierinnen und Indonesier eröffneten vergangenen Juli ein Klimaverfahren gegen den Schweizer Konzern Holcim, unterstützt von Heks, dem Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz. Holcim soll Verantwortung für Klimaschäden an der indonesischen Insel Pari übernehmen, hiess es in der Pressemitteilung. Deren Lebensgrundlagen seien durch den Anstieg des Meeresspiegels und die immer häufigere Überflutung der Insel in akuter Gefahr. Die Forderung: 3600 Franken pro Person für bereits entstandene Schäden sowie die finanzielle Beteiligung an Flutschutzmassnahmen für die Insel. Vorgesehen sind die Anpflanzung von Mangroven und der Bau von Wellenbrecheranlagen, sogenannten Bronjongs, zum Schutz der Insel.
Zivilrechtliche Klage?
Anfang Oktober kam es zur Schlichtungsverhandlung in Zug. Dort wurde keine Einigung erzielt. Die vier Klägerinnen und Kläger haben jetzt drei Monate Zeit, die Einreichung einer zivilrechtlichen Klage gegen Holcim zu prüfen. Heks will die Betroffenen bei diesem allfälligen Schritt beraten und unterstützen. «Wenn man den Klimawandel stoppen will, muss man diese Konzerne zur Verantwortung ziehen», sagte Nina Burri, Juristin beim Hilfswerk Heks, gegenüber der Presse. «Sonst haben wir keine Chance, das Blatt noch zu wenden.» Insgesamt gebe es weltweit bereits rund 2000 Klimagerechtigkeitsklagen, meistens gegen Staaten.
Sieben Milliarden Tonnen CO2
Im Gegensatz zu den USA kennt die Schweiz keine Massenklagen. Jede Person, die in ihren Rechten verletzt ist, muss ein eigenes Zivilverfahren anstreben. Erstmals richtet sich eine Klage gegen ein Unternehmen. Heks argumentiert, der Schweizer Konzern habe zwischen 1950 bis 2021 sieben Milliarden Tonnen CO2 ausgestossen. Das sind 0,42 Prozent aller globalen industriellen CO2-Emissionen seit dem Jahr 1950.
Viel Publizität
Es war eine Aktion, die Heks viel Publizität einbrachte. Selbst deutsche TV-Sender berichteten über den Kampf zwischen «David und Goliath». Daneben gab es aber auch zahlreiche Kritik. «Die Zahl des CO2-Ausstosses sagt nichts über die Wirkungszusammenhänge aus», konterte die NZZ. «Es lässt sich nur schwer feststellen, ob genau Holcims CO2-Ausstösse zu den Schäden auf der Insel Pari in Indonesien geführt haben.» Immerhin sei Holcim in Sachen Klimaschutz ein Vorbild. Bis 2050 will das Unternehmen klimaneutral sein.
«Grobe Simplifizierung»
In Kirchenkreisen waren die Reaktionen geteilt. Es handle sich bei der Aktion des Heks um eine «grobe Simplifizierung», schrieb Präsident Bruno Bader in einem offenen Brief des Vereins «Église à venir», der aus liberaler Sicht theologisiert. Der Versuch, einen von vielen Akteuren an den Pranger zu stellen, sei banal, ja «moralisch unhaltbar». Grundsätzlich könnte auch jeder angeklagt werden, der in irgendeiner Form am CO2-Ausstoss beteiligt sei. «Also eigentlich alle, die in Zementhäusern wohnen», schrieb der Pfarrer aus Gstaad.
Carmen Schirm-Gasser, kirchenbote-online
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