Wer glaubt an die Jungfrau und die Auferstehung?
«Ich glaube an Gott ... und an Jesus ... empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria ... auferstanden von den Toten ... Ich glaube an das ewige Leben», heisst es im Apostolikum, dem traditionellen christlichen Glaubensbekenntnis, das auch dem Zweiten Helvetischen Bekenntnis zugrunde liegt. Es wurde 300 Jahre nach dem Tod des Apostels Paulus verfasst, der im Römerbrief 10,10 erstmals vom Bekennen geschrieben hatte. Das Credo spreche Tacheles, schreiben die Veranstalter einer Ringvorlesung zum Apostolikum, die im Frühling an der Theologischen Fakultät der Uni Bern stattfand: «Pointierter lässt es sich nicht formulieren, angreifbarer auch nicht. Aber was bedeuten die knappen Formeln eigentlich für diejenigen, die sie nachsprechen?»
Genau dies wollte das deutsche evangelische Magazin «chrismon» wissen. Die Umfrage «Woran glauben Sie?», ausgehend vom Apostolikum, ergab wenig überraschend: Über 60 Prozent der 1006 Befragten glauben an Gott. Zu Jesus bekennen sich 56 Prozent. Doch mit dem Heiligen Geist können nur 39 Prozent etwas anfangen und mit der Auferstehung gar noch 36 Prozent. Schwierig werde es bei der Jungfrau und beim ewigen Leben, so «chrismon». Daran glaubt gerade mal ein Drittel der Befragten. Interessantes Detail: Die unter Dreissigjährigen sind mit bloss 28 Prozent Zustimmung gegenüber der Auferstehung viel skeptischer als die im Rentenalter (42 Prozent).
Falsche Fragestellung
Die «chrismon»-Umfrage beurteilt Matthias Krieg, Leiter der Stabsstelle Theologie der Zürcher Landeskirche, kritisch. Der Theologe beschäftigte sich im Auftrag der Reformierten Kirche Zürich im Hinblick auf das Schweizer Reformationsjubiläum im Jahr 2019 intensiv mit Bekenntnis-Texten. «Menschen antworten so, wie sie gefragt werden. Die Art der Fragestellung entspricht unserer Zeit und wird dem Apostolikum aus dem vierten Jahrhundert nicht gerecht», sagt Krieg.
Unsere Zeit sei von Markt und Konsum geprägt. «Das Apostolikum liegt hier im Regal wie im Supermarkt. Seine Glaubenssätze liegen aus wie Produkte. Sie verkaufen sich verschieden gut», meint Matthias Krieg. Jeder Dritte gehe am Regal vorbei. Im vierten Jahrhundert jedoch sei die Trinität für die Christen das Wichtigste gewesen, heute spiele sie für Nichttheologen keine Rolle mehr. «Ausserdem ist der Spiritus Sanctus heute in vielen anderen Regalen zu finden, etwa bei Lifestyleprodukten oder in der Gourmetabteilung. Jesus ist der ‚good guy’. Gott steht schlicht für die anonyme höhere Macht», so Krieg.
Dass die Jungen mit der Auferstehung nicht mehr viel anfangen können, wundert den Theologen nicht. «Restbestände christlichen Wissens sind noch vorhanden und werden erinnert, wenn das eigene Leben hinfällig und die Zukunft fraglich wird. Jüngere Generationen bedienen sich eher nach Bedarf spontan bei den verfügbaren Beständen sämtlicher Religionen. Was gefällt, wird genutzt.»
Bekenntnisfreiheit in der Schweiz
Bei den Schweizer Reformierten herrscht seit dem 19. Jahrhundert Bekenntnisfreiheit. Im damaligen Streit um das Apostolikum setzten sich die liberalen gegen die pietistischen Theologen durch. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit und die Bibel gelten seither für die reformierte Kirche als einzige Basis. Diese Bekenntnisfreiheit ist international einmalig.
Der Wunsch nach einem Bekenntnis keimt immer wieder auf. So gab es etwa an der Synode der reformierten Kirche Baselland entsprechende Vorstösse. Doch macht es Sinn, das apostolische Glaubensbekenntnis einzuführen? «Es wäre tatsächlich Unsinn, heute das alte Apostolikum verpflichtend machen zu wollen», betont Matthias Krieg. «Unsere Medizin verwendet ja auch nicht Medikamente des vierten Jahrhunderts.» Das sei auch nicht die Absicht des Projekts Werkbuch Bekenntnis.
Es gehe darum, zur 500-Jahr-Feier der Schweizer Reformation «eine Sammlung der für Reformierte grundlegenden Bekenntnisse» vorzulegen, darunter das alte Apostolikum. «Dazu soll ein neues Credo für alle gottesdienstlichen Gelegenheiten entstehen und ein neuer Katechismus für alle Bildungszwecke», erklärt Krieg. «Es ist sehr sinnvoll, wenn sich Menschen von heute, ausgelöst durch ein Bekenntnis von heute, das in einer Tradition steht, lebendig über ihren Glauben unterhalten können.»
Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».
Karin Müller / Kirchenbote / 3. Juni 2016
Wer glaubt an die Jungfrau und die Auferstehung?