«Was die KVI will, ist anmassend»
Herr Knoepfel, warum lehnen Sie die KVI ab?
Ulrich Knoepfel: Die Initiative setzt auf Konfrontation statt auf Dialog und schadet den Menschen, denen sie helfen will. Schweizer Unternehmen zögen sich aus Risikoländern zurück – zugunsten beispielsweise von chinesischen Konzernen ... Die absurde Ausdehnung der Haftungskaskade auf Tochterfirmen und Lieferanten, verbunden mit Beweislastumkehr, schafft extrem unfaire Bedingungen. Schliesslich soll anderen Ländern ihr Justizwesen aus der Hand genommen und Prozesse sollen in die Schweiz transferiert werden. Das ist ein quasi-kolonialistischer Übergriff.
Welche Rolle spielt der christliche Glaube in Ihrer Haltung zur Konzernverantwortungsinitiative?
Knoepfel: Als Christ weiss ich mich von Gott aufgerufen, Verantwortung wahrzunehmen für Mensch und Schöpfung. Dazu gehört auch die sinnvolle, lebensfördernde Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in unserem Land. Insofern also ist die Mitwirkung an politischen Entscheidungen für mich auch Christenpflicht. Aber selbstverständlich engagiere ich mich nur in eigenem Namen und beanspruche nicht, für die Kirche zu sprechen.
Weshalb sollen Kirchen in diesem Fall politisch Position beziehen?
Knoepfel: Kirchen sollen sich für wichtige Werte einsetzen, wie den Schutz der Menschenrechte und der Umwelt. Über den Weg zu diesen Zielen können Christen aber in guten Treuen oft geteilter Meinung sein. Eine Volkskirche, die bei kontroversen Themen einseitig Partei ergreift, übergeht damit zwangsläufig ihre andersdenkenden Mitglieder. Tut sie dies wiederholt, so können sich diese dann immer weniger mit ihrer Kirche identifizieren. Wir erleben das heute bei etlichen Kantonalkirchen mit offensichtlicher rot-grüner und wirtschaftsfeindlicher Schlagseite.
Haben wir das Recht, uns in das Rechtssystem beziehungsweise Angelegenheiten fremder Staaten einzumischen?
Knoepfel: Der Umgang mit ungerechten Zuständen und Handlungen in anderen Ländern ist sehr heikel. Diese Staaten schätzen äussere Einmischung genauso wenig wie wir Schweizer. Eine generelle Regel gibt es hier nicht. Manchmal ist stille Diplomatie das Beste. Je nachdem aber ist verhaltener oder unverblümter Widerstand angezeigt. Jedenfalls muss man sich gut überlegen, was man tut. Ein systematischer Übergriff in die rechtliche Zuständigkeit anderer Länder, wie dies die KVI will, ist aber äusserst anmassend.
Können Sie auch mit dem Gegenvorschlag leben, der die Haftung der Konzerne für Tochterunternehmen ausschliesst?
Knoepfel: Ja, unser Komitee befürwortet den Gegenvorschlag von Bundesrat und Parlament. Dieser schliesst die Haftung für Tochterunternehmen aber nicht grundsätzlich aus, knüpft diese aber an überschaubare, kontrollierbare Voraussetzungen nach geltendem Recht. Dies ist ethisch angebracht.
An Kirchen prangen Transparente für die KVI. Die Gegner sind nicht vertreten. Werden Sie vor den Kopf gestossen?
Knoepfel: Ja natürlich. Ich würde dort keinen Gottesdienst besuchen.
Fürchten Sie bei Annahme der KVI Kirchenaustritte namhafter Unternehmer und damit Geldgeber der Kirche?
Knoepfel: Solche Kirchenaustritte erfolgen schon heute aufgrund der äusserst einseitigen und wirtschaftsfeindlichen Kampagne aus kirchlichen und Hilfswerkkreisen. Diese Unternehmerpersönlichkeiten sagen uns, dass sie sich in der Kirche nicht mehr willkommen fühlten. Ein wichtiger Zweck unseres Ethikkomitees ist es dementsprechend, deutlich zu machen, dass es in den kirchlichen Behörden und der Pfarrerschaft auch Menschen gibt, die anders denken. Einige Kirchenaustritte konnten wir damit schon verhindern.
Worauf verzichten Sie persönlich in Ihrem Alltag, weil das Produkt unter fragwürdigen Bedingungen hergestellt wird?
Knoepfel: Je nachdem würde ich solche Produkte nicht kaufen, z.B. Billigkleider. Allerdings ist dies eine zwiespältige Sache, denn unter Umständen schadet man den Betroffenen durch den Boykott erst recht. Ich finde es deshalb vordringlich, sich dafür einzusetzen, dass in den betreffenden Ländern geordnete Zustände herrschen und die Schwachen darin zu unterstützen, sich zu wehren. Hier sehe ich durchaus eine wichtige Aufgabe für kirchliche Hilfswerke und andere Nichtprofitorganisationen.
Hier geht es zum Interview mit Martin Schmidt, St. Galler Kirchenratspräsident und Befürworter der KVI.
Interview: Katharina Meier / Stefan Degen | Foto: pd – Kirchenbote SG, November 2020
«Was die KVI will, ist anmassend»