Wann haben Sie letztmals gelogen?
Christine Bolt, Direktorin der Olma-Messen, St. Gallen
«Für mich gibt es verschiedene Stufen von Lügen: Eine sanfte Form ist das Schwindeln, was ich ab und zu der Einfachheit halber tue. Und zwar bei Dingen, die keine Relevanz haben, zum Beispiel, warum ich eine Einladung nicht annehme. Gelegentlich sage ich auch nicht die ganze Wahrheit, zum Schutz des Gegenübers beispielsweise. Lügen bedeutet für mich, etwas Unwahres zu sagen; und das tue ich aus Überzeugung nicht.»
Christof Gasser, Lichtensteig
«Darüber muss ich etwas nachdenken. Ich frage mich gerade, ob sogenannte ‹Notlügen› so alltäglich sind, dass ich sie nicht als Lüge wahrnehme. Hmm … Eigentlich ist der Begriff ‹Notlüge› falsch, es sind wohl in meinem Fall eher ‹Bequemlichkeitslügen› -– das bewusst falsche Beantworten einer Frage, um nicht in eine unangenehme Situation zu geraten oder jemanden vor den Kopf zu stossen. Oder um sein eigenes Gesicht zu wahren. Oder weil man nicht über etwas sprechen will. Wenn ich so nachdenke, empfinde ich das nicht als schlimm – frage mich aber gerade, was wäre, wenn niemand aus Komfort lügen würde …
Mittlerweile fällt mir auch das für mich wohl typischste Beispiel aller Lügen ein. Die bequeme Antwort auf die Frage ‹Wie geht es dir?› Und ich bin mir sicher, dass du weisst, was ich meine.»
Barbara Meier, Oberriet
«Das letzte Mal unehrlich war ich vor ein paar Tagen – es fiel mir schwer. Ich sage lieber, wie es ist. Aber hätte jener Besitzer der Tapas-Bar im südfranzösischen Departement Ost-Pyrenäen wirklich hören wollen, dass mich seine auf der Karte so wohl klingenden Beignets aus Kürbisblüten enttäuschten? Traurigerweise habe ich aus Höflichkeit mehrmals geschummelt und geantwortet, die Beignets seien gut gewesen. Er wollte wohl von mir mehr als ein ‹Gut› hören. Sein Nachfragen war quälend. Aber mehr Unehrlichkeit lag einfach nicht drin. Ich war dankbar, als mein Mann die Rechnung zahlte und wir dann aus dem Lokal ‹flüchten› konnten.
Ich war mir sicher, dass mir anzusehen war, dass ich aus Höflichkeit gelogen habe. Oder aus Feigheit? Oder Bequemlichkeit? Weil ich einfach keine Lust hatte, meine wenig schmeichelnde Meinung zu sagen und womöglich noch begründen zu müssen?»
Christian Bernhard-Bergmaier, Pfarrer, Gossau
«Ich schätze ehrliche, geradlinige und transparente Menschen und ich möchte selbst so ein Mensch sein. Im Alltag rutschen mir jedoch immer wieder kleinere und grössere ‹Notlügen›, Übertreibungen oder Untertreibungen über die Lippen. Dass das weniger passiert, daran arbeite ich tagtäglich. Ich vermute, dass ich mich an meine letzten Lügen nicht mehr erinnere und auch nicht erinnern will. Ich verdränge, worüber und wo ich lüge. Darum kommt mir meine letzte Lüge nicht in den Sinn. Gelogen habe ich aber schon bezüglich der Anzahl mitfeiernder Menschen in einem meiner Gottesdienste.»
Doris Widmer, Wil SG
«Schwierige Frage, eigentlich will ich ja nicht lügen, sondern bei der Wahrheit bleiben. Und doch: Letzthin beim Einkaufen zwischen den Teigwarenregalen begegne ich einem ‹Gschpändli› aus der Schulzeit. Wir haben uns schon Jahre nicht mehr gesehen. Sie fragt mich: ‹Wie geht es dir?› Meine schnelle Antwort: ‹Gut, danke – und dir?› Ja, da habe ich schon geschummelt, eigentlich geht es mir gerade nicht gut, eine Grippe ist im Anzug und der Kopf schmerzt. Mein Sohn ist im Ausland und wegen eines Krankheitsschubs seines chronischen Leidens ans Bett gefesselt. Zu Hause türmt sich die Arbeit usw. – Es ist mir einfach alles etwas zu viel im Moment.
Aber ich will jetzt nicht über meine Befindlichkeit reden, lieber alte Anekdoten aus der Kindheit austauschen, mich über das Wiedersehen freuen und dann schnell wieder in den Alltag zurückkehren. Ging es meinem Gegenüber etwa auch so? Auch ihre Antwort war: ‹Gut – danke.›»
Petra Hautle, Altstätten
«Dass Lügen das Vertrauen zwischen Menschen erschüttern können, ist unbestreitbar. Wenn dieses Vertrauen missbraucht wird, kann das zu ernsthaften Konsequenzen führen und zwischenmenschliche Beziehungen belasten. Für mich ist darum wichtig, immer bei der Wahrheit zu bleiben, da ich so meinem Gegenüber offen und ohne jeglichen Schuldgefühle gegenübertreten kann und ich davon überzeugt bin, dass dies das Leben erheblich vereinfacht.»
Wann haben Sie letztmals gelogen?