News aus dem Kanton St. Gallen

Von der goldenen Regel

min
01.01.2016
Regeln bilden das Fundament unseres Zusammenlebens

 

 

«Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um!»
Matthäus 7, 12


Ich erinnere mich noch gut an eine Szene, die ich auf einer Konf-Reise nach München erlebt habe. Wir sitzen am Frühstückstisch. Einer der Konfirmanden sagt halblaut etwas über eine der Konfirmandinnen am Nachbartisch. Das, was er sagt, ist nicht gerade freundschaftlich. Seine Sitznachbarin hört es und reagiert empört: «Das dörfsch doch nöt sägä! Wötsch, dass öppert so über di räd?!» Das hat gesessen. Ruhe herrscht am Tisch. Alle wissen sofort, was gemeint ist. Die goldene Regel «Was Du nicht willst, dass man Dir tu’, das füg’ auch keinem andern zu!» Oder in den Worten Jesu aus Matthäus 7, 12: «Wie immer ihr wollt, dass die Leute mit euch umgehen, so geht auch mit ihnen um!» Der Konfirmand wünscht sich für sich selbst ganz klar einen wertschätzenden Umgang. Natürlich will er nicht, dass jemand so über ihn herzieht, wie er das gerade getan hat.

Fundament unseres Zusammenlebens
Warum ich diese kleine Szene erzähle? Weil sie für mich deutlich macht, wie tief die «goldene Regel» in unserem allgemeinen Wissen und Rechtsempfinden verankert ist. Sie bildet ein Fundament unseres Zusammenlebens, auf das man sich ohne lange Erklärungen berufen kann.
Der geniale Kniff der Regel ist dabei der Perspektivenwechsel, den sie vornimmt. Sie macht mein oft so empfindsames und empfindliches Selbst zur Messlatte für mein Handeln an anderen. Wenn ich nur auf meinen eigenen Vorteil achte, dann bin ich als Mensch ganz schnell fähig, dem ande­ren einiges anzutun. Versetze ich mich aber in den anderen hinein und stelle eine innere Beziehung zu ihm her, dann verbieten sich viele Dinge von ganz allein. Wer möchte schon selbst geärgert, gehänselt oder betrogen werden? Klar, ­keiner! Nett und ehrlich behandelt zu werden, ist dagegen angenehm. Und anders als ausführliche Gesetzessammlungen mit zahllosen Einzelregelungen lässt sich die «goldene Regel» einfach und ohne lange Suche in jeder Situation anwenden.

Weil sie so eingängig und praktisch ist, wundert es wenig, dass die «goldene Regel» auch in an­deren Religionen und Weltanschauungen wie dem Konfuzianismus, dem Hinduismus oder Buddhismus vorkommt. Auch das Judentum kennt solche Überlegungen; etwa bei Jesus Sirach.

Durch Gottes Gegenwart

Und doch finde ich, dass mich als Christin die «goldene Regel» aus dem Munde Jesu besonders trifft. Denn unser Gott hat selbst mit dem, was er von uns fordert, ernst gemacht. Er, Gott, hat sich in seinem Sohn ganz in uns Menschen hineinversetzt. Er hat in seinem Sohn erfahren, wie sich Versuchungen anfühlen. Er hat erlebt, was uns Menschen Vergebung bedeutet. Und er hat am eigenen Leib erfahren, wie sich Hunger und Durst, Schmerzen und ein Todesurteil anfühlen.
Durch Jesus hat Gott eine innere Beziehung zu uns Menschen hergestellt. Jesus hat die goldene Regel zu seinem Programm gemacht. Man denke nur an die verhinderte Steinigung der Ehebrecherin und die Vergebung, die er ihr zusprach. Gott behandelt uns so, wie wir Menschen es brauchen. Voll Verständnis für unsere Schwäche. Das motiviert mich, das Gleiche zu tun. 

Text: Esther Marchlewitz | Foto: as  – Kirchenbote SG, Mai 2015

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