News aus dem Kanton St. Gallen

«Vaterunserbitte» – Leserbrief zur Ausgabe «Der Teufel und die Seinen» 02/2018

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14.02.2018
Eduard Haller plädiert dafür, das Vaterunser weiterhin so zu beten, wie wir es gelernt haben, sprich auch die Passage «und führe uns nicht in Versuchung».

Jeder noch in der Wolle gefärbte Humanist unter den predigenden Theo­ logen hat die vier Abwandlungen und Bedeutungen des unregelmässigen griechischen Verbums «erchomai» (Matthäus 6,13) am Schnürchen und im Ohr. In der 1.Form (intransitiv) heisst es einfach «kommen», «ich komme»; «ich bin am kommen». In der 3.Form (transitiv) heisst es hingegen «jemand od. etwas kommen lassen», «hineingeraten lassen», «etwas über jemanden kommen lassen».  Der Urtext sagt also etwas anderes als das  Wort «führen». Es kommt im Vaterunser aus der lateinischen Übersetzung des griechischen Neuen Testaments durch Hieronymus («Vulgata» genannt), deren lateinischer Wohlklang oft wirklich Musik in den Ohren ist, aber sachlich oft nicht genügend genau.

Was sagt der Urtext zur Versuchung?
Gehn wir vom Urtext aus, so lautet die Bitte: «Lass uns nicht hinein­ geraten in…», ja sogar «lass nicht kommen über uns…» Mit «Versuchung» ist im Urtext dann genau alles gemeint, was wir unter «Prüfung» verstehen. Von einer Prüfung des Glaubens ist in der ganzen Bibel in den Zeugnissen der Heilsgeschichte die Rede. Gott, der zum Glauben ruft, prüft diesen Glauben in seinem Volk. Er tut das auf seine Weise bei jedem von uns. Jeder Christ weiss, was das heisst. «Gott hat mit jedem von uns eine ganz persönliche, verborgene Geschichte der Gnade» (Karl Hartenstein).

Der grosse Alttestamentler Franz Delitzsch hat die Vaterunserbitte ins Hebräische rückübersetzt. Hier findet das liturgische Wort im Vaterunser genau wie im Griechischen  diesen Bedeutungswandel ( « bo’   = «kommen», «hebi» = «hineinbringen, hineinkommen lassen»). Im jüdi­schen deutschsprachigen Gebetbuch findet sich gleichen Sinnes die Bitte: «Lass mich nicht kommen in die Gewalt der Sünde noch in die Gewalt der Schuld.»

Gegenkräfte eines Mächtigen
Die christliche Kirche betet in der Erfahrung, dass wir wie seit je als Gemeinde der Glaubenden in einer Welt leben, in der die Gegenkräf­te eines Mächtigen am Werk sind. Jesus spricht vom «Fürsten dieser Welt», vom «Herrscher der Welt» (z.B.Johannes 14,30). 
Alle Lehrer Glaubens wiesen darauf hin, dass die Kirche  betet um Bewahrung vor endzeitlichen Verführungen, denen kein Mensch von sich aus gewachsen sein wird (Markus 13,20). - «Die Leichtverführbarkeit des Menschen ist ein uraltes Thema und täglich zu beobachten (Werner Bergengruen).
So gehört diese Vaterunserbitte ganz eng zur letzten: «Erlöse uns vom Bösen.»
«Und führe uns nicht in Versuchung!» Lass uns nicht hineingeraten in Zustände und Verhältnisse, aus denen wir nicht mehr herausfinden, wo der Glaube stirbt, die Hoffnung erlischt, die Liebe erkaltet.

Beten wir getrost weiter, wie wir es gelernt und überliefert bekommen haben. Es muss nur in der Predigt immer wie so vieles erklärt und vertieft werden. So sollen wir zum Beten ermuntert werden.

 

Eduard Haller, St. Gallen  – Kirchenbote SG, 14. Februar 2018

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