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Vadian – der unbekannte Star

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01.03.2015
In der Öffentlichkeit ist von Vadian fast nur sein Denkmal in der Stadt St.Gallen bekannt. Dabei kam er als preisgekrönter Dichter aus Wien nach St.Gallen. Und fast hätte er es geschafft, dass ganz St.Gallen reformiert geworden wäre.

Seit letztem Sommer steht ein frisch restaurierter 3,75 Meter grosser Vadian in der Stadt St.Gallen. Das Denkmal ist ein Zeuge des konfessionellen Kulturkampfes. Der Blickkontakt mit der Kathedrale bedeutet: Die damaligen Reformierten nahmen es durchaus mit den Katholiken auf. Diese blieben denn auch der Einweihung im Jahr 1904 demonstrativ fern.

Wie das Denkmal sind auch die Vadian-Biographien in die Jahre gekommen. Das 800-Seiten-Werk von Werner Näf aus der Mitte des letzten Jahrhunderts will man keinem Leser von heute zumuten. Frühere Biographien sind weniger am geschichtlichen Vadian als am Helden interessiert. Der Historiker Rudolf Gamper will nun eine gut lesbare und bebilderte Vadian-Biographie von verdaubarem Umfang auf den Markt bringen. Und mit einem Ansatz von heute: «Eine neue Fragestellung meiner geplanten Biographie lautet: Wer war Vadian als Teamplayer? Bisher wurde er beispielsweise in den Rollen als Lehrer oder Bürgermeister geschildert. Eine Biographie, die auch Mitarbeiter einbezieht, fehlt», sagt Rudolf Gamper.

Steile St.Galler Karriere
Joachim von Watt lebte von 1484 bis 1551. Mit Ausnahme der Jahre von 1502 bis 1518, in denen er in Wien studierte und lehrte, war er in St.Gallen. Sein Wissen hat eine beeindruckende Breite, das er fortlaufend erweiterte und so als humanistischer Tausendsassa zu vielen Rollen kam. Er ist preisgekrönter Dichter, Lehrer, Geograf, Geschichtsschreiber, Arzt, Politiker, Reformator. 1518 kommt er aus der Weltstadt Wien in die Provinz zurück. Dies durchaus mit dem Gedanken, sich hier zu etablieren. «Vadian hat seine Karriere geschickt vorangetrieben. Als die humanistische Richtung an der Universität Wien an Einfluss verlor, brachte er sich in St.Gallen mit seiner umfassenden Bildung ins Gespräch. Er kam als Star nach St.Gallen, verlieh dem Klosterstädtchen etwas Promi-Glanz aus der weiten Welt», sagt Gamper.

1521 wird er Mitglied es Kleinen Rates, ein Jahr später wendet er sich unter dem Einfluss Luthers der Reformation zu. An der schrittweisen Einführung der neuen Lehre ab 1525 ist Vadian massgeblich beteiligt, 1526 ist er erstmals Bürgermeister. Allerdings sagt Gamper: «Seine genaue Rolle bei der Reformation in St.Gallen ist nicht geklärt. Klar ist, dass er ein Netzwerk mit anderen Reformatoren unterhielt. Klar ist auch, dass er aus einer humanistischen Haltung die Reformation beförderte und dazu die Kritik am Reichtum der Kirche und dem Reliquienkult gehörte.»

Vadian taucht ab
Als offizielles Datum der Reformation in St.Gallen gilt Ostern 1527, in der Kirche St. Laurenzen feiert die Gemeinde zum ersten Mal das evangelische Abendmahl. In dieser Zeit ist nicht klar, wie die religiöse Zukunft St.Gallens aussieht. «Für kurze Zeit war St.Gallen als Ganzes reformiert, die Stadt kaufte das Kloster», sagt Gamper. Bereits 1531 kommt es zum nächsten markanten Einschnitt mit der Niederlage der Reformierten in der Schlacht in Kappel am Albis gegen das katholische Heer. «Durch diese Niederlage wurde die reformierte Herrschaft rückgängig gemacht und es entstand die konfessionelle Zweiteilung der Stadt. Hätten die Reformierten damals gewonnen, wäre St.Gallen ganz reformiert geworden.»

Der Kappeler Rückschlag traf Vadian schwer. «Er hatte nach dem Sieg der Katholiken einen totalen Zusammenbruch und verschwand für einige Wochen aus der Öffentlichkeit», sagt Gamper. Danach geht es um die Ausgestaltung der konfessionellen Zweiteilung St.Gallens, Vadian ist federführend dabei. Zudem wird er zur nationalen Grösse. «In seinen späten Jahren war Vadian ein eidgenössischer Politiker, auf den man hörte. Dies obwohl St.Gallen keine grosse Rolle spielte in der Eidgenossenschaft.»
Erstaunlich ist: Vadian ist zwar Reformator, aber was er theologisch genau vertritt, ist unklar. «Eine theologische Haltung von Vadian im engeren Sinn ist bisher nicht bekannt. Denn er ist weder Prediger noch sind seine reformatorischen Schriften hinreichend erforscht», sagt Gamper.

Neue Biographie ist ein Bedürfnis
Eine neue Darstellung von Vadian stösst bei der reformierten St.Galler Kirche auf offene Ohren. «Ich würde erwarten, dass eine solche Biographie ihn als Persönlichkeit in seiner Geschichte beschreibt und aufzeigt, wie ‹seine Reformation› speziell für die St.Galler Kirche prägend und bedeutsam geworden ist», sagt Kirchenratspräsident Martin Schmidt. «Gerade wenn andere Kantonalkirchen Zwingli so stark beanspruchen, ist es wichtig, zu zeigen, dass es noch andere Reformatoren gegeben hat, die prägend waren.» Auch Arno Noger, Präsident der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, begrüsst eine neue Vadian-Biographie. «Sie soll leicht verständlich sein und somit ein breites Leserpublikum ansprechen können. Dazu gehört auch eine entsprechende grafische Aufmachung und Bebilderung.» 

Der Historiker Rudolf Gamper war von 1995 bis 2014 Leiter der Vadianischen Sammlung der Ortsbürgergemeinde 
St.Gallen. Ihr Kern ist die Bibliothek und der hanschriftliche Nachlass von Vadian. Gamper lebt in Winterthur.

Text: Daniel Klingenberg | Foto: Michel Canonica  – Kirchenbote SG, März 2015

 

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