News aus dem Kanton St. Gallen
Fledermäuse

Teil 6: Fledermäuse denken gross

von Katharina Meier
min
04.11.2024
Über Jahrtausende haben sich Fledermäuse an die Kulturlandschaft angepasst, um Futterquellen zu erschliessen, an geeigneten Orten ihre Jungen aufzuziehen und zu überwintern. Der rasche Wandel der Umwelt und die Bauart der Häuser setzt den Tieren aber immer mehr zu.

Dies zeigte der Vortrag «Fledermäuse denken gross» von René Güttinger, Biologe und Fotograf, im Naturmuseum St. Gallen. Letzteres widmete dem geschützten Tier eine Sonderausstellung. Sie gab Einblick in das gefährliche wie faszinierende Leben und die erstaunlichen Fähigkeiten der Fledertiere.

Grosser Rayon für kleine Tiere

Des Nachts fliegt das Grosse Mausohr in einem Gebiet von rund 500 Quadratkilometern umher, um Nahrung in unterholzfreien Wäldern, Obstgärten oder auf frisch geschnittenen Wiesen zu suchen. Bevorzugte Beute: Laufkäfer. Einen andern Speiseplan hat das Alpenlangohr. Sein Jagdrayon ist mit rund 35 Quadratkilometern kleiner. Es hat sich auf Nachtfalter und andere Insekten spezialisiert. Die Orientierung wie die Nahrungssuche geschehen mittels Ultraschall. Die Tiere stossen Schreie aus, das Echo wird in Millisekunden im Hirn verarbeitet, Bewegung, eine raue Oberfläche, ein Flattern und Zucken registriert, der Falter im Fluge geschnappt und mit dem kräftigen Gebiss zermalmt, ebenso der Käfer. «Doch freiwillig fliegen die Fledermäuse nicht so weit. Sie haben einen hohen Energiebedarf und holen die Biomasse dort, wo sie noch vorhanden ist», so Güttinger. Noch fehlt eine Studie, die Auskunft gibt, in welchem Ausmass der Rayon wegen abnehmender Nahrung immer grösser wird. 

Wandel verunmöglicht Jagd

Klar ist, dass der qualitative und quantiative Anspruch an den Lebensraum für die Fledermäuse immer mehr steigt. Güttinger, der die Lebensräume des Grossen Mausohrs nach den ersten Feldstudien vor 30 Jahren mit heute verglichen hat, stellt fest: «Die Hälfte der ehemaligen Jagdgebiete ist für die Mausohren nicht mehr tauglich. Es fehlen freigelegte Bodenbereiche im Wald wegen der Verbuschung.» Beim Alpenlangohr gingen die zur Jagd bevorzugten Auenwälder wegen Abholzung verloren. Auch die Suche nach einem geeigneten Quartier für die Aufzucht der Jungen werde mit dem hermetischen Schliessen der Dächer fast unmöglich, deshalb seien belassene Kirchen als Unterschlupf immens wichtig, so der Fledermausexperte. 

«Wie beispielsweise der Bestand der Mausohren, der rückgängig ist, auf Veränderungen im Wald reagieren kann, ist schwierig zu prognostizieren. Bis dato konnten es die Fledermäuse. Aber der Wandel der Kulturlandschaft ist jetzt wohl schlicht zu schnell. Da können die Tier noch so gross denken.»

Fledermäuse in Kirchen des Kantons St. Gallen

Eine Grosszahl der 30 geschützten Fledermausarten der Schweiz hängen sich im Sommer in alte Häuser oder Kirchen. In einer losen Folge beleuchtet der «Kirchenbote» diese treuen «Kirchenmitglieder». Fachlich wird die Serie begleitet von René Güttinger, dem kantonalen Fledermausschutz-Beauftragten Appenzell-St. Gallen.

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