Teil 1: Weder Batman noch Graf Dracula
Hier fliegt seit Längerem ein Kauz durch die Glocken-Schallöffnungen ein und aus. Auch kleine Fenster nutzt der Vogel, um sein Quartier zu erreichen. «Schön für den Kauz, aber leider stört er die Grossen Mausohren und die Braunen Langohren bei der Aufzucht.» Denn im Sommerhalbjahr schliessen sich hier die Fledermausweibchen zu Gruppen, sogenannten Wochenstubenkolonien, zusammen, um ihre Jungen aufzuziehen.
Spalten verkleinert
Schon einmal hat Güttinger die Spalten verkleinert, um das Eindringen der Eulenart zu verhindern. Denn was 1981 ehrenamtlich begann, ist heute ein offizielles Mandat des Kantons: Der Biologe aus Nesslau ist zuständig für die Koordinationstelle des regionalen Fledermausschutzes.
Daneben gibt es seit bald 20 Jahren den Verein Fledermausschutz, dessen Freiwillige und Mitglieder die Fledermauskolonien kontrollieren und begleiten. Diese passionierten Fledermausschützerinnen und -schützer betreuen Fledermausquartiere, helfen beim Monitoring bzw. beim Zählen der Tiere, räumen den Mist weg, sensibilisieren und informieren die Bevölkerung, Interessierte und Schulklassen, kurz: Sie setzen sich für die Erhaltung und Förderung von Fledermäusen in der Region ein. Die Öffentlichkeitsarbeit mit Vorträgen und die fachliche Ausbildung von Ehrenamtlichen fruchtet. Die Sympathie für Fledermäuse nimmt zu. Der Verein hat Fans in über 30 Gemeinden des Liechtensteinischen sowie der Kantone St. Gallen und beider Appenzell.
Der Kauz ist immer noch da
«Ich werde die Freiwilligen bitten, hier in Oberglatt im Kirchenschiff und Turm den Boden zu reinigen», erklärt René Güttinger beim Kontrollgang. Es muss nochmals sichergestellt werden, dass der Kauz an einem andern Ort sein Quartier aufgeschlagen hat. Jetzt zumindest sind die Anzeichen dafür klar, dass der Vogel zwischenzeitlich noch sporadisch im Turm hausen dürfte. Auf dem Bretterboden über den kolossalen Klangkörpern liegen Reste des Federkleides. Die Sprossen der Leiter, die noch weiter hinauf in die Spitze führt, sind mit Kot verunreinigt, verschissen. «Finden wir nach der Reinigung keine Spuren des Kauzes mehr, können wir die Fenster und Öffnungen so weit schliessen, dass die Fledermäuse hinein- und hinauskommen, der Kauz hingegen nicht mehr.»
Lösungen suchen
Die Vereinsarbeit läuft beim Toggenburger parallel zur Koordinationsstelle. Hier berät er bei Konflikten, sucht Lösungen mit Behörden, Förstern, Firmen und Hauseigentümern. Er kontrolliert die Quartiere, ist bei der jährlichen Bestandesaufnahme der Tiere dabei, erhebt Daten und erforscht so weiter das einzige Säugetier, das sich in die Lüfte schwingen kann. Das Wissen gibt der Biologe und Fotograf in Vorträgen weiter und er freut sich über Interessierte an den vom Verein organisierten Batnights. Güttinger stülpt sich bei der Arbeit nicht wie die Comicfigur eine Maske mit Ohren über Kopf und Gesicht. Mit Graf Dracula hat er keine Ähnlichkeit. Batman ist er trotzdem. Ganz der Übersetzung ins Deutsche entsprechend: ein Fledermausmann.
Seltene Tiere im Kanton St. Gallen
Fledermäuse in Kirchen des Kantons St. Gallen
Eine Grosszahl der 30 geschützten Fledermausarten der Schweiz hängen sich im Juni und Juli mit Vorliebe in alte Häuser oder Kirchen. Dort finden sie einen idealen Lebensraum. In einer losen Folge will der «Kirchenbote» diese treuen Kirchenmitglieder genauer beleuchten und dabei Themen streifen wie Koexistenz im Kulturgut, Renovationen von Häusern und Kirchen sowie Betreuung und Zählung der Fledermäuse. Zudem stellt er besondere Kolonien im Kanton St. Gallen vor. Fachlich werden die Artikel vom Toggenburger Fotografen und Biologen René Güttinger begleitet. Er ist kantonaler Fledermausschutz-Beauftragter Appenzell-St. Gallen.
Teil 1: Weder Batman noch Graf Dracula