News aus dem Kanton St. Gallen

Superman kam nicht vorbei

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20.05.2019
Für den Rorschacher Hans-Paul Candrian ist der Konfirmationsspruch nicht nur Familienerbe, sondern Hilfe und Kraft.

Mit seinem ihm zugeteilten Bibelzitat, so glaubte Hans-Paul Candrian als Konfirmand voller Freude, würden ihm nun übermenschliche Kräfte zur
Seite gestellt. «Hurra! Jetzt hilft mir jemand in schwierigen Situationen, und ich kann mich ausruhen.» Doch Superman kam nicht vorbei.

«Mein Sohn!», sagte Pfarrer Paul Candrian und nahm seinen Filius Hans-Paul kurz vor der entscheidenden Unterrichtsstunde zur Seite, «du weisst, du kannst deinen Konfirmationsspruch nicht selber wählen. Denn seit vier Generationen bekommen die erstgeborenen Jünglinge unserer Familie dasselbe Bibelzitat wie die Vorfahren.» Schon der Ururgrossvater, Urgrossvater, Grossvater und Vater – alle Pfarrer von Beruf – gingen mit Philipper 4, 13 durchs Leben. Widerstand gegen das Erbe zu leisten war für Hans-Paul zwecklos.

Der Seebub
Der heute 72-Jährige fand sich mit dem Zitat ab, freute sich als Konfirmand vorerst über die freie Wahl eines Bildes. Er, der Seebub, Segler und Hobbyfischer, war Christus bei den Fischern auf dem See Genezareth zugetan. Allmählich kommt er dem Sinn seines Spruches auf die Spur, auch ausgelöst durch Extremsituationen. Als Junge begab er sich mit Kollegen auf den gefrorenen Mötteli-Schlossweiher. Sie brachen ein und schrien um ihr Leben. Jahre später geriet er mit der Jacht in einen Sturm. Eine Signalrakete wurde abgefeuert und löste eine Rettungsaktion aus. Hans-Paul Candrian überlebte die bedrohlichen Situationen dank fremder Hilfe. «Hat Christus selber eingegriffen, indem er helfende Kräfte aufbot?»

Es liegt mehr drin, als man sich zutraut
Rückblickend sieht der pensionierte Lehrer, der mit seinem Beruf die Familientradition brach, seinen Spruch in anderem Lichte: «Es gilt, in kritischen Momenten selber aktiv zu werden und all seine Kräfte zu beanspruchen. Christus gibt Impulse und macht Mut, über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen.» Heute, so sagt der ehemalige Kirchenbote-Kommissionspräsident, spüre er diese Energie in heiklen Situationen. Kraft und Durchhaltewillen kämen auf statt Resignation und Hilflosigkeit. «Besonders im Alter wünsche ich mir weiterhin diesen Beistand Christi.» Dies, und den Glauben, dass meist mehr drin liege, als man sich zutraue, wünscht er auch andern. «Ganz im Sinne der Basler Bibel ‹Wir sind allem gewachsen durch den, der uns stark macht.›» – Hans-Paul Candrians erstgeborener Sohn durfte übrigens seinen Konfirmationsspruch selber wählen. Die Erbfolge riss nun definitiv ab.

 

Text: Katharina Meier| Foto: Patrick Marchlewitz  – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2019

 

 

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