St. Galler Synode startet Verfassungsrevision und regelt Konf-Unterricht
«Was lange währt, wird endlich gut.» Mit diesen Worten leitete Kirchenrat Urs Noser das meistdiskutierte Geschäft der Sommersynode vom 17. Juni ein: die Revision des Abschnitts «Lernende Gemeinde» der Kirchenordnung. Die Vorlage wurde seit über drei Jahren breit beraten und erarbeitet. Nun kam das Geschäft ins Parlament der Evanglisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen.
Mindestanzahl von Pflichtstunden auf Konf-Weg
Zu diskutieren gab insbesondere, ob eine Mindestanzahl von Programmstunden auf dem Konfirmationsweg in der Kirchenordnung festgeschrieben werden soll, wie es der Vorschlag des Kirchenrates vorsah. Gegen ein Minimum an Pflichtstunden sprach sich Rita Dätwyler (Straubenzell St. Gallen West) aus. «Die Konfirmation ist eine Stärkung und Bestätigung des Glaubens», sagte sie. Der Glaube brauche keine Voraussetzung, fügte sie an. «Welches Bild von Kirche wollen wir unseren Jugendlichen damit vermitteln?»
Thierry Thurnheer (Wil) pflichtete ihr bei: «Ich habe es bei meiner Konfirmation als extreme Hürde empfunden, mich überhaupt für den Unterricht anzumelden. Ich dachte schon damals: Mein Glaube hängt nicht an der Konfirmation.» Die Reglementierung mit 120 Pflichtstunden sei eng. «Es bringt für kleinere Kirchgemeinden eine Herausforderung, ein attraktives Programm anzubieten.»
Andere Synodale sprachen sich für die Mindestzahl an Pflichtstunden ein. «Ich bin der Überzeugung», sagte etwa der Synodale Ueli Bächtold (Tablat-St. Gallen), «dass es junge Menschen eher abschreckt, wenn alles unverbindlich ist. Sonst sagen sie schnell mal: ‘Was ist denn das für ein Saftladen?’» Virginia Müller pflichtete ihm bei. Eine Mindestzahl an Programmstunden stärke die Konfirmation. «Es ist wie beim Fussball: Man kann nicht nur an den Match gehen, man muss auch das Training besuchen.»
Derweil wurde Markus Anker (Tablat-St. Gallen) grundsätzlich: «Wenn der Konfirmationsunterricht gut ist, ist keine Stunde zu viel. Und wenn er schlecht ist, ist jede Minute zu viel. Ich wünsche mir, dass wir mehr über die Qualität als die Quantität sprechen.»
Wie viel Autonomie für die Kirchgemeinden?
Im Hintergrund der Diskussion stand die Frage, wie frei die einzelnen Kirchgemeinden sind, den Konfirmationsweg selbst festzulegen, und welche Leitplanken die Kantonalkirche vorgibt. So beantragte Jennifer Deuel-Zumstein (St. Gallen C), die 120 Programmstunden bloss als Empfehlung in die Kirchenordnung aufzunehmen.
Kirchenrat Martin Schmidt erinnerte daran, dass die Mindestanzahl auch aufgrund von Rückmeldungen aus den Kirchgemeinden in der Vernehmlassungsphase wieder aufgenommen worden sei: «Irgendwann müssen wir uns entscheiden.»
Nach ausführlicher Diskussion lehnte die Synode die Anträge von Dätwyler und Deuel-Zumstein deutlich ab und befürwortete ein Obligatorium von mindestens 120 Programmstunden. Der Rest der Revision des Abschnitts «Lernende Gemeinde» der Kirchenordnung war kaum umstritten und wurde mit kleinen Korrekturen mit überwiegender Mehrheit angenommen. Im Dezember 2024 kommt die Vorlage in die zweite Lesung.
Startschuss zur Verfassungsrevision
Bei fortgeschrittener Stunde lancierte die Synode mit 141 Ja-Stimmen und einer Gegenstimme den Startschuss zu einer Revision der 50-jährigen Kirchenverfassung. Themen der Revision sind Möglichkeiten der Mitgliedschaft, die Leitung von Kirchgemeinden oder neue Formen der Zusammenarbeit.
Revision des Finanzausgleichs verabschiedet
Am Vormittag hatten die Synodalen bereits die Revision des Finanzausgleichs in zweiter Lesung verabschiedet. Neben kleineren Anpassungen werden nun neu die Beitragsarten «Leistungen an den Erhalt der Kirchgemeindestruktur» und «Beiträge an neue Formen von Kirche» geschaffen. Dabei gab es zwei inhaltlich bedeutsame Anträge.
«Stoppuhr» für den Kirchenrat
Der eine betraf eine Ausnahmefrist. Grundsätzlich werden nur Kirchgemeinden durch den Finanzausgleich unterstützt, die mehr als 1000 Mitglieder haben. Fällt eine Kirchgemeinde unter die Tausendergrenze, kann der Kirchenrat in begründeten Fällen eine Frist von fünf Jahren gewähren.
Diese von Rita Dätwyler (Straubenzell St. Gallen West) in der ersten Lesung eingebrachte Frist wollte Urs Meier Zwingli (Degersheim) in der zweiten Lesung nun wieder streichen. «Der Kirchenrat soll die Kompetenz zu zugeschnittenen Lösungen haben statt eine Stoppuhr», begründete er. Zudem schaffe das mehr Spielraum im Hinblick auf die geplante Revision der Kirchenverfassung.
Dätwyler verteidigte die Fünfjahresfrist: «Wenn die Synode dem Kirchenrat die Kompetenz gibt, zu entscheiden, wann die Mindestgrösse zu einem Fall aus dem Finanzausgleich führt, können wir sie gleich fallenlassen.» Die Synode folgte ihr mit einer hauchdünnen Mehrheit und lehnte den Antrag von Meier Zwingli mit 68 gegen 67 Stimmen bei 13 Enthaltungen ab.
Ausbildung unterstützen
Den zweiten Antrag hatte der Kirchenrat lediglich vier Tage vor der Synode eingebracht und den Synodalen per E-Mail zugestellt. Er ermöglicht es, Kirchgemeinden, die Ausbildungsplätze für kirchliche Berufe bereitstellen, durch den Finanzausgleich finanziell zu unterstützen. Auf Anregung von Christina Hegelbach (Tablat-St. Gallen) wurde der Antrag dahingehend geändert, dass dies unter Auflagen auch für die Ausbildung an staatlichen Ausbildungsstätten gilt. Der geänderte Antrag stiess auf breite Zustimmung. Das neue Reglement über den Finanzausgleich tritt am 1. Juli 2024 in Kraft.
St. Galler Synode startet Verfassungsrevision und regelt Konf-Unterricht