Schweiz steht bei der Tabakprävention auf dem zweitletzten Platz in Europa
Grenzenlose Prärie, wilde Pferde, Freiheit, Abenteuer. Jahrzehntelang dominierte der Marlboro-Mann die Tabakwerbung. Heute sind die Rauchenden auf den Plakaten jung, schlank und sexy. Die Tabakindustrie kennt die Sehnsüchte der Jugendlichen.
Die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» fordert deshalb, jede Art von Tabakwerbung zu verbieten, die Kinder und Jugendliche erreichen kann. Bundesrat und Parlament geht die Initiative zu weit. Ihr Gegenvorschlag will, dass Werbung an Kiosken, in der Presse oder im Internet weiterhin möglich ist. Dem «Komitee gegen Werbeverbote» ist die Tabakwerbeverbotsinitiative zu extrem. Der Jugendschutz sei wichtig, aber die Initiative sei völlig unverhältnismässig. Extreme Verbote richteten grossen wirtschaftlichen Schaden an.
Zu wenig wird in die Prävention investiert
Didier Rochat, Geschäftsführer Blaues Kreuz Schweiz, kennt die Problematik der Werbung für Suchtmittel. Die Tabakindustrie spreche genau die Gruppe an, die am anfälligsten sei: die Jungen. Falls die Initiative nicht angenommen wird, kämen die Jugendlichen weiterhin mit Tabakwerbung in Kontakt. Der Gegenvorschlag schwäche die Initiative deutlich ab. Didier Rochat ist zudem klar, dass zu wenig in die Prävention investiert wird: «Die Schweiz ist äusserst freiheitsliebend und wirtschaftsgetrieben. Nur ein kleiner Teil fliesst in die Prävention. Die Steuer auf Spirituosen geht zu 90 Prozent in die AHV, die Biersteuer fliesst zu 100 Prozent in die allgemeine Bundeskasse. Auf Wein wird ausser der Mehrwertsteuer gar keine Steuer erhoben.»
Das Bundesamt für Gesundheit, BAG, bestätigt diese Haltung auf seiner Website: «Die Schweiz schränkt Tabakwerbung viel weniger stark ein als die allermeisten Länder in Europa. Gemäss der Vergleichsstudie mit 36 europäischen Ländern befindet sich die Schweiz in der Umsetzung wirksamer Massnahmen zur Tabakkontrolle auf dem zweitletzten Platz.»
Zusammenhang zwischen Werbung und Konsum
Laut den Initianten beweisen zahlreiche Untersuchungen den direkten Zusammenhang zwischen Tabakwerbung und -konsum. Eine Studie aus Deutschland belegt den Zusammenhang auch bei Alkoholwerbung: 80 Prozent der befragten 10- bis 17-Jährigen, die keine Alkoholwerbung kannten, hatten noch nie Alkohol getrunken. 90 Prozent von denen, die Werbespots oder Plakate für Bier, Schnaps oder Wodka mehr als zehnmal gesehen hatten, hatten diese konsumiert.
Doch wann wird der Konsum gefährlich? «Wer den Rauschzustand bewusst sucht, riskiert, dass Gewohnheit zur Sucht wird», erklärt Didier Rochat. Gewohnheitsmässiger Alkoholkonsum könne eine Zeit lang unproblematisch verlaufen. «Sobald jedoch eine grössere Krise auftritt, ist der Anreiz gross, sich Abhilfe mit Alkohol zu verschaffen.» Das BAG rät deshalb, an zwei Tagen in der Woche keinen Alkohol zu konsumieren. Rochat erinnert auch an die Vorbildfunktion der Eltern. Jugendliche würden zwar vehement bestreiten, ihre Eltern zu kopieren, doch unbewusst geschehe meist genau das Gegenteil.
Bei der Zigarette sei der Gelegenheitskonsum schnell problematisch, beginne die Sucht rasch: «Nikotin wirkt psychoaktiv, hat eine entspannende Wirkung und macht schnell abhängig.» Brisant findet Rochat, dass Tabakfirmen bewusst Jugendliche anwerben. Etwa indem sie rauchende Influencer in den Social Media bezahlen. Wird die Initiative angenommen, wird solche Werbung in den sozialen Medien verboten.
Michael Schäppi, kirchenbote-online
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