News aus dem Kanton St. Gallen
Junge Thurgauerin überzeugt mit Maturaarbeit

Ohren spitzen für mehr Toleranz

von Manuel Ditthardt
min
03.08.2024
Das Bewusstsein für Religionstoleranz stärken: Dieses Ziel verfolgte Ena Hager mit ihrer Maturaarbeit an der Pädagogischen Maturitätsschule (PMS) in Kreuzlingen. Ihre Arbeit wurde gleich doppelt ausgezeichnet.

Zuerst erhielt Ena Hager für ihre Maturaarbeit die Auszeichnung der Stiftung Think Tank Thurgau. Kurze Zeit später gewann die junge Ermatingerin auch noch den Luzerner Religionspreis. Die Maximalnote der PMS hatte sie da schon längst in der Tasche. Die Lehrpersonen und Jurys waren offenkundig beeindruckt von der Idee und der Umsetzung des Themas. Hager hatte sich nämlich dazu entschlossen, ein Hörspiel für Kinder auf der Grundlage der Ringparabel aus «Nathan der Weise» von Gotthold Ephraim Lessing zu produzieren.

Leicht abgewandelt existieren in ihrem Hörspiel – genau wie in der Ringparabel – drei stellvertretende Figuren für die drei grössten monotheistischen Weltreligionen: den Islam, das Judentum und das Christentum. Der Unterschied ist, dass es sich im Hörspiel um Tiere handelt und der Komplexitätsgrad des Inhalts an Zehnjährige angepasst ist.

 

Mit Hörbüchern verbinde ich fröhliche und leichte Stunden in der Kindheit.

 

Neue Werte kennenlernen
Obwohl die verschiedenen Kulturen in unserem Alltag sehr präsent sind, weiss man gemäss Ena Hager hier in der Schweiz viel zu wenig über die Wertvorstellungen anderer. Ihrer Ansicht nach streben die meisten religionsanhängenden Personen ein friedliches Zusammenleben an. Trotzdem sehe man an aktuellen Geschehnissen und Konflikten die Schwierigkeit einer gegenseitigen Kultur- und Religionsakzeptanz. Deshalb seien ein Perspektivenwechsel der Gesellschaft und Raum für Diskussionen notwendig, um aufeinander zugehen zu können.

Katholisch aufgewachsen und nun in einer evangelischen Gemeinde aktiv, gesteht Hager, dass sie selbst das Gefühl hatte, die Werte anderer Religionen nicht sehr gut zu kennen. Das sei aber wichtig, um Vorurteile ablegen zu können und alle Beteiligten bei Auseinandersetzungen zwischen Kulturen und Religionen zu verstehen. Nur so könne der Konflikt selbst nachvollzogen werden.

Thematik verständlicher machen
Diesen Raum für akzeptanzorientierte Gedanken und sinnvolle Diskussionen wollte die PMS-Schülerin mit einem Hörspiel für Kinder kreieren. Sie selbst verbinde «fröhliche und leichte Stunden in der Kindheit» mit Hörbüchern. Wenn es früher die Geschichten selbst waren, ist sie nun fasziniert von den Sprechenden, der Musik und den Toneffekten. Somit konnte sie mit dem Projekt einer persönlichen Leidenschaft nachgehen und gleichzeitig die schwierige Thematik für Kinder verständlicher und zugänglicher machen.

Dass sie sich bei der Erklärung der Wichtigkeit von Religionstoleranz an der fast 250 Jahre alten Ringparabel von Lessing orientierte, habe zwei Gründe: Einerseits unterstütze sie Lessings Aussage, dass die Suche nach der einen Wahrheit ein fortlaufender Prozess sei. Andererseits seien die Lektüre der Klassiker aus der Aufklärungsepoche immer noch Pflichtstoff in der Schule und die Religionsakzeptanz ein zentrales Thema der heutigen Gesellschaft.

 

Für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben braucht es keinen einheitlichen Glauben, sondern ein besseres gegenseitiges Verständnis.

 

Kein einheitlicher Glaube
Im Thurgau seien speziell Christen gefordert, da sie als Mehrheit eine grosse Verantwortung trügen. Laut Ena Hager wird häufig angenommen, dass Minderheiten sich anpassen oder Interesse zeigen müssten. Ihr zufolge brauche es beim «aufeinander Zugehen» jedoch die Beteiligung beider Seiten.

Kirchgemeinden empfiehlt sie, in der eigenen Dorfgemeinde verstärkt den Kontakt mit anderen Religionen zu suchen und durch gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen den «Austausch zu stärken». Für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben brauche es keinen einheitlichen Glauben, sondern ein besseres gegenseitiges Verständnis.

 

 

 

Unsere Empfehlungen

Pfarrer, Imam und Rabbiner treffen sich (kein Witz)

Pfarrer, Imam und Rabbiner treffen sich (kein Witz)

Juden, Christen und Muslime lesen gemeinsam in ihren heiligen Schriften und erzählen einander von ihrem Glauben. Seit fünf Jahren trifft sich die Gruppe regelmässig. Zum ersten Mal taten sie dies nun in Rapperswil vor Publikum. Die Veranstaltung stiess auf grosses Interesse.