Nach Ja zur «Ehe für alle»
Die Abgeordneten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes sagten Ja zur «Ehe für alle». Der Kirchenbund versteht dies als Empfehlung. Es liege allein in der Kompetenz der Kantonalkirchen, die Trauung für Homosexuelle einzuführen. St. Gallen wartet vorerst ab. «Denn drei der vier gestellten Antragspunkte an der Abgeordnetenversammlung Anfang November in Bern werden in der Kirche unseres Kantons sinngemäss bereits umgesetzt», erklärt Kirchenratspräsident Martin Schmidt.
Es braucht eine klare Haltung
Es handelt sich einerseits um die Segensfeiern für homosexuelle Paare. Seit 2002 werden sie im Kanton St. Gallen durchgeführt. Andererseits ist gewährt, dass Pfarrerinnen und Pfarrer frei wählen können, ob sie solche Trauungen durchführen wollen oder nicht. «Auch bei uns gilt die Gewissensfreiheit», sagt Schmidt. Zudem sollen die vollzogenen Segnungen im Trauregister eingetragen werden. Im Ostschweizer Kanton werden sie erfasst und der Kantonalkirche gemeldet. «Dieser Antrag wurde in Bern abgelehnt», weiss Schmidt. Er, der es grundsätzlich begrüsst, dass homosexuelle Paare getraut werden können. Trotzdem will die St. Galler Kirche erstmals die Entscheide des National- und Ständerats respektive ein allfälliges Referendum abwarten. «Denn die Trauung ist letztlich ein ziviler Akt und die ‹Ehe für alle› ein politischer Entscheid», so Martin Schmidt. Ihm fehlt bei grossen gesellschaftlichen Fragen wie dem Adoptionsrecht oder dem Zugang zu Reproduktionsmedizin bei Homosexuellen eine klare Haltung der Kirche. «Auch der Ehebruch, die Polyamorie oder der Geschlechtsverkehr vor der Ehe sind weitere Punkte, die es grundsätzlich einmal zu diskutieren gilt», so Schmidt. Es stünde der Kirche gut an, die Themen «Körperlichkeit und Sexualität» einmal gesamtheitlich anzuschauen, so Schmidt.
Seit drei Jahren unbeantwortet
Deshalb wünscht sich die Kantonalkirche St. Gallen seit Längerem ein Grundlagenpapier, eine Art Denkschrift über Ehe, Sexualität, Familie und Partnerschaft. Eine entsprechende Motion hat Kirchenrätin Barbara Damaschke-Bösch vor dreieinhalb Jahren beim Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK eingereicht. Die Antwort ist aber immer noch hängig. «Wir wünschen uns diese Diskussion», so Schmidt, «damit sich daraus eine offizielle Haltung der Kirche samt Empfehlungen entwickelt.»
Text: Katharina Meier, Foto: Pixabay – Kirchenbote SG, Dezember 2019
Nach Ja zur «Ehe für alle»