News aus dem Kanton St. Gallen

«Mir reicht’s, ich gehe beten»

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20.12.2022
Beten, bei Gott zur Ruhe kommen: Dies eröffnet nicht nur neue Sichtweisen, sondern gibt Hoffnung. Auch Jesus zog sich jeweils zurück, um Kraft zu tanken. Unsere Autorin schöpft sie aus dem Gebet.

«Mir reicht’s, ich gehe beten.» Eine Karte mit diesen Worten ist bei uns im Wohnzimmer aufgestellt. Sie erinnert mich daran, was zu tun ist, wenn es mal «brenzlig» wird im Familienalltag. «Nimm dir Zeit zum Beten. Du wirst erfrischt in den Alltag zurückkehren.» Dies ist ein weiterer Spruch, der mich im Alltag begleitet. Im 1. Brief an die Thessalonicher schreibt Paulus, dass sie sich durch nichts vom Gebet abbringen lassen sollen.

Was bringt denn das Beten?
Doch was bringt denn das Gebet? So wie ich eine Freundschaft zu einem Menschen pflege, mich mit ihm austausche, Anteil nehme und gebe, so stehe ich auch mit Gott in Kontakt. Gebet ist nichts anderes, als im Gespräch zu sein mit Gott. Freundschaft verliert eine gewisse Tiefe, wenn sie nur in der Not zum Tragen kommt. Schliesslich baut eine Freundschaft auf beidem auf, auf Zeiten der Freude und der Trauer. Ich habe ganz neu entdeckt, wie wertvoll es ist, den Tag mit Gott zu starten.

 

Jesus sucht die Ruhe und Abgeschiedenheit, um sich danach wieder den Menschen zu stellen.

 

Bevor die To-do-Liste, die Sorgen und die Hektik Überhand nehmen, setze ich mich in meinen Sessel und freue mich, weil ich spüre und ahne, dass Gott bereits auf mich wartet. Ich nehme mir Zeit, einen kurzen Text aus der Bibel zu lesen und Gott den Tag anzuvertrauen. Ich nehme mir aber auch Zeit, zu hören, still zu sein und zu horchen, was Gott mir zu sagen hat. Ich fühle mich in seiner Gegenwart geliebt, angenommen und leicht. Auch am Abend komme ich mit Gott ins Gespräch, ich danke ihm, formuliere meine Sorgen, Ängste und Nöte. Das entlastet und befreit. 

Im Zwiegespräch
Im Laufe des Tages gibt es immer wieder Momente, in denen ich mit Gott im Gespräch bin. Schliesslich ist alles, was ich tue und was ich lasse, mit ihm verwoben, er ist dabei, mittendrin in meinem Alltag mit seinen Höhen und Tiefen. Ich erlebe in solchen Ruhezeiten immer wieder das, was der Psalmist vor vielen Jahren aufgeschrieben hat: «Bei Gott allein findet meine Seele Ruhe, von ihm kommt meine Hilfe» (Psalm 62,2). Solche Zeitfenster der Stille, des Innehaltens, öffnen sich nach meiner Erfahrung nicht einfach so. Es ist eine Entscheidung und braucht eine gewisse Treue und Disziplin. Es gibt viele Menschen in der Bibel, die uns ermutigen, bei Gott zur Ruhe zu kommen. In den Psalmen kann man immer wieder beobachten, dass sich ein Hilfeschrei zu einem Lobgesang wandelt. Dem Schreiber, der sich mit seinen Sorgen an Gott wendet, wird plötzlich eine neue Sicht eröffnet, Hoffnung keimt auf und das Vertrauen in Gott erwacht neu. 

Herz bei Gott ausschütten
Und nicht zuletzt lebt uns Jesus, der Sohn Gottes, vor, wie er immer wieder zu seinem Vater geht und bei ihm Kraft schöpft. Er sucht die Ruhe und Abgeschiedenheit, um sich danach wieder den Menschen und ihren Anliegen zu stellen. Im 6. Kapitel des Matthäusevangeliums sagt er, wir sollen nicht reden wie die, die sich für etwas Besseres halten, sondern einfach unser Herz bei Gott ausschütten. Er spricht uns zu, dass der, der uns durch und durch kennt, uns geben wird, was wir brauchen. Das zu glauben braucht Vertrauen, und Vertrauen wächst aus Beziehung. Beziehung wiederum braucht Zeit. So schliesst sich der Kreis, und ich bin wieder da, wo ich angefangen habe. Lassen wir uns darauf ein und nehmen uns die Zeit, um in Ruhe und Stille vor Gott zu treten, und lassen uns überraschen, was dann geschieht. Ein aufrichtiges, offenes Herz, einige Minuten von unserem Tag und die Sehnsucht, Gott nah zu sein, sind wohl die Zutaten, die es braucht.

Mögen wir den Jahresbeginn als Chance nutzen, mit Gott wieder neu zu starten und ihm zu trauen, dass er unsere Leben prägen, füllen und bereichern will. Mögen wir aus der Ruhe vor Gott leben und mit ihm unterwegs sein im neuen Jahr.

Text: Fabienne Bachmann, diakonische Mitarbeiterin, Kirchgemeinde Rapperswil-Jona | Foto: Pixabay – Kirchenbote SG, Januar 2023

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