News aus dem Kanton St. Gallen

Kirchengeläut und Nachtruhe

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03.02.2011
Wer kennt sie nicht, die «IG Stiller», die sich den Kampf gegen den nächtlichen Glockenschlag und das Läuten am frühen Morgen auf das Banner ge­schrieben hat buchstäblich mit ihrem von der SVP adoptierten Logo, in dem statt Minarette sieben Kirchen auf einem Schweizerkreuz stehen und der SVP-Slogan «Minarett-Muezzin-Scharia» durch die Worte «Kirchturm-Glocke-Bimbam!» ergänzt worden ist.

Die «IG Stiller» ist heute schweizweit tätig. Das ist auch erkennbar auf deren Website www.nachtruhe.info, wo unter  «News» über 360 Artikel und Dokumente abrufbar sind, die von Auseinandersetzungen rund um das Glockengeläut handeln beginnend mit einem Schreiben aus dem Jahr 1999 von Bischof Ivo Fürer, der zu einer Anfrage aus Thal unter anderem schreibt: «Ich verstehe Ihre Schwierigkeit. Die Entscheidung liegt aber nicht beim Bischof, sondern beim Pfarrer und der Kirchgemeinde  Von Seiten des Bistums besteht keine Verpflichtung, die Kirchenglocken morgens zu läuten, wie dies in der Tradition des «Angelusläutens» an vielen Orten Brauch ist.» Damit hatte der damalige St.Galler Bischof primär die Kompetenzen zu klären versucht. Die Läutordnungen sind eine Angelegenheit der Kirchgemeinden, sie werden auch bei den Reformierten durch die Kirchenvorsteherschaften erlassen natürlich nicht willkürlich, sondern alten Traditionen entsprechend.

IG Stiller gegründet

Seit 1999 ist auch das Glockengeläut in Trogen ein Thema, wo wie in vielen Appenzeller Gemeinden die politische Gemeinde das Sagen über die Glocken hat. Die Gemeinde wollte dort, dass alles blieb wie es war. Doch der Lärmbekämpfer Samuel Büechi, der spätere Vater von «IG Stiller», beharrte darauf, in der Nacht nicht schlafen zu können. Die Fronten verhärteten sich. Dieser Verhärtung sind sein längjähriger Kampf gegen den nächtlichen Glockenschlag wie auch die Gründung der «IG Stiller» zu verdanken. 2003 erreichte der Anwalt der Nachtruhe einen Teilerfolg. Die ­Firma Muff AG, Kirchturmtechnik, teilte mit, dass die Glockenklöppel ausgewechselt werden sollten, was zusammen mit anderen Massnahmen das 1958 mit einer fünf Tonnen schweren Glocke aufgerüstete Geläut etwas stiller machte.

In Thal übrigens, wo ein Beschwerdeführer rund 360 Meter vom Kirchturm entfernt wohnte, ergaben Messun­gen des BUWAL bei gekipptem Fenster einen Lärmpegel von 51 dB das wurde als zu gering eingestuft, um eine Aufweckreaktion auszulösen. Nach langem Rechtsstreit hat das Bundesgericht entschieden, dass in Thal weiterhin um 6 Uhr morgens geläutet werden kann.

Kleinere oder grössere Auseinandersetzungen um das Läuten gab es auch in anderen Gemeinden oder Städten des Kantons, wobei über diese Vorfälle oft nur zurückhaltend informiert wird.

Konflikt mit Gespräch gelöst

Mit weniger Konflikten konnte das ­Probelm der Nachtruhe etwa in Wildhaus oder Walzenhausen gelöst werden, wobei dort nicht Privatpersonen, sondern ganze Wirtschaftszweige oder Institutionen um Ruhe nachgefragt hatten.

Im touristisch geprägten Wildhaus fragten die rund um die beiden Kirchen angesiedelten Hotelbetriebe schon in den 70er-Jahren bei den Kirchgemeinden um eine Reduktion der Glockenschläge an. Aber erst 1998 fanden sie wenigstens auf reformierter Seite Gehör. Für den damaligen Pfarrer Jakob Brassel war das nichts Ungewohntes, dass die Glocken in der Nacht schweigen. Er war früher Pfarrer in St.Moritz gewesen, wo das seit Jahren selbstverständlich gewesen war. Dementsprechend speditiv hat die Vorsteherschaft 1998 eine neue Läutordnung verabschiedet.

Auch in Walzenhausen ergingen Anfragen wegen des nächtlichen Glockenschlags an die politische Gemeinde liegt doch gleich neben der reformierten Kirche die Rheinburgklinik. Unter Adrian Keller, dem heutigen Leiter des Sonneblick und ehemaligen Präsident der Kirchenvorsteherschaft, entstand im Jahr 2005 eine recht moderne Läutordnung. «Zwischen 21.45  und 9 Uhr wird der Glockenschlag als Zeitanzeige eingestellt», heisst es da, ­wobei für den Sonntagsgottesdienst geläutet werden darf, frühestens aber um 8 Uhr morgens. Für Adrian Keller sollen die Glocken, die er als wertvolles Kulturgut sieht, dem heutigen Leben der Menschen, der Gemeinschaft vor Ort, dienen. Die Glocken können helfen, den Rhythmus des Tages zu gliedern, indem sie um 11 Uhr die Mittagspause, um 16 Uhr den Feierabend und um 19 Uhr die Nacht ankünden. Wie weit das Geläut auch als religiöser Appell zu deuten ist, sei dem Einzelnen überlassen. Das Festhalten an alten Traditionen, die nichts mehr mit dem heutigen Dorfalltag zu tun haben, findet Adrian Keller unzeitgemäss.

Handreichung veröffentlicht

Streitereien in den Zürcher Gemeinden Gossau ZH und Bibikon haben die Zürcher Kantonalkirche dazu veranlasst, die  Handreichung «Vertraute Klänge störende Klänge» für Kirchgemeinden zu veröffentlichen. Sie erklärt den Ursprung der Läutordnungen und gibt Tipps, wie Unstimmigkeiten zur Information über die Glocken genutzt werden können und wie die Lautstärke des Geläuts reduziert werden kann. 

 

Text und Foto: Andreas Schwendender  – Kirchenbote SG, Februar 2011

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