News aus dem Kanton St. Gallen

«Keine Angst, er will nur spielen …»

von Barbara Damaschke-Bösch, Pfarrerin, Hemberg
min
01.04.2023
Immer wieder wird den Protagonisten der Bibel gesagt, sie sollen sich nicht fürchten. Trotzdem haben sie Angst. Auch Jesus. Denn Angst gehört zum Leben. Der Glaube aber hilft, damit umzugehen, und schenkt Mut zum Handeln.

«Keine Angst, er will nur spielen», ruft die Hundehalterin der Mutter zu, als ihr Vierbeiner auf den Kinderwagen zurennt und die Kleine beschnuppert. «Er ist ein ganz lieber!» Doch das Kleinkind schreit aus voller Kehle. Die Nähe des Hundes ist eine Zumutung.

Mit ihrem Aufruf, sich nicht zu ängstigen, ist die Hundehalterin in guter Gesellschaft. Weit über hundert Mal heisst es in der Bibel «Fürchte dich nicht!» oder «Fürchtet euch nicht!». Abraham, der ob seiner Kinderlosigkeit verzweifelt, soll sich auf göttliches Geheiss hin genauso wenig fürchten wie die durstige Hagar, nachdem sie in die Wüste vertrieben wurde. Der in Streitereien verstrickte Isaak ebenso wenig wie Jakob, der sich mit seiner ganzen Familie nach Ägypten aufmacht. Die Aufzählung lässt sich problemlos erweitern: Mose und Rut, Maria und Josef, die Hirten auf dem Feld und die Frauen am Ostermorgen beim Grab: Sie alle sollen sich nicht fürchten. Und tun es wohl trotzdem.

 

Jesus zitterte vor Angst
Angst und Furcht gehören zum Leben. Mose etwa soll zum mächtigen Pharao gehen und von ihm verlangen, die Israeliten aus der Sklaverei zu entlassen. Doch er sieht sich ausserstande, Gottes Berufung anzunehmen, und gibt zu bedenken, dass er nicht redegewandt sei. Auch Jesus zittert und zagt, als seine Festnahme im Garten Getsemani bevorsteht. Während er angsterfüllt betet, sollten seine Jünger Wache halten. Aber sie schlafen ein.

Genau umgekehrt verhält es sich bei der Stillung des Sturmes auf dem See Genezaret. Hier legt sich Jesus schlafen, während die Jünger mit dem eindringenden Wasser kämpfen. Sie wecken ihn und fragen, ob es ihm denn egal sei, wenn sie untergingen. Jesus beruhigt den Wind und fragt: «Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?»

Demut ist Mut zum Dienen
Diese Frage Jesu könnte man so deuten, dass Furcht und Glauben Gegensätze sind: Wer nur genug glaubt, hat keine Angst. Doch die Bibel relativiert. Denn Angst hat auch eine positive Seite: Sie mahnt zur Vorsicht und erinnert an die eigene Verletzlichkeit. «Sei nicht weise in deinen eigenen Augen, fürchte den Herrn und meide das Böse», steht im Buch der Sprüche.

Die Aufforderung zur Gottesfurcht kann missverstanden werden. Sie trug wohl zu einem unheilvollen, furchteinflössenden Gottesbild bei. Dabei geht es bei der Ehrfurcht vor Gottes Heiligkeit vielmehr darum, anzuerkennen, dass Gott allein über den Menschen steht. Dass wir uns daher nicht über andere stellen, sondern sie wertschätzen sollen.

Eine solche Haltung nennt man von alters her Demut, den Mut zum Dienen. Wer Mut hat zu dienen, weiss: Wir stehen eben nicht allein da, sondern sind gemeinsam unterwegs. Wer Mut zuspricht, schafft eine Beziehung. Wie Gott, der zu Josua sagt: «Habe ich dich nicht geheissen, mutig und stark zu sein? Hab keine Angst und fürchte dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir auf allen deinen Wegen.» In solcher Einsicht führt der Glaube aus Beengung und Angst hin zu Weite und Mut. Angst gehört zum Leben. Der Glaube aber hilft, damit umzugehen, und schenkt Mut zum Handeln.

Was den Umgang mit Angst prägt
So kann auch die Mutter des erschreckten Kindes den Hund zurückdrängen und ihre Tochter beruhigen. Die Hundehalterin versteht zwar kaum, dass man vor ihrem sanftmütigen Begleiter derart Angst haben kann. Auf dem restlichen Spaziergang denkt sie aber darüber nach, dass unsere Perspektiven und Erfahrungen den Umgang mit Angst und Mut prägen. Beide werden daher unterschiedlich erlebt. Noch sinnend fällt ihr ein, was Jesus auch noch gesagt hat: «In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.»

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