Kein Kraftfutter für die Kühe
Als der gelernte Landwirt und seine Frau Leandra 2016 den Hof in der neunten Generation übernahmen, mussten die Kühe möglichst viel Milch liefern. Zweimal täglich wurden sie gemolken, dazwischen tranken sie viel Wasser, kauten Raufutter und Kraftfutter wider, damit sie möglichst viel von der weissen Flüssigkeit produzierten. 2022 lag der Mittelwert einer der 672 500 Kühe in der Schweiz (Zahl 2023) bei rund 7000 Kilogramm Milch, 1500 Liter mehr als vor zwanzig Jahren. «Hochleistungskühe können aber bis zu 10 000 Liter Milch pro Jahr liefern», so der 32-Jährige. Doch solche Extremsportlerinnen bei den Kühen bedürfen einer grossen Aufmerksamkeit.
Sehr zeitintensiv
Da Kühe sowohl chemisch als auch biologisch verdauen, kann es bei Hochleistungskühen eher zu Stoffwechselproblemen führen. Die Tiere müssen mehr kontrolliert und beobachtet werden. «Ist der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht, kann dies möglicherweise Probleme bei der Nachgeburt, beim Kalbern oder der körperlichen Verfassung der Kuh geben.» Oft sei die intensive Tierhaltung eine Gratwanderung, die indes viele Bauern beherrschten. Doch dies wollte Köbi Hagmann zwei Jahre nach der Hofübernahme nicht mehr. «Wir haben bewusst die Strategie geändert, von intensiv auf extensiv umgestellt, um die Arbeit zu erleichtern, Zeit zu sparen und zu sorgen, dass die Landwirtschaft rund, also weniger problembehaftet läuft.»
Weiden von April bis November
Konkret hiess dies, dass die gut 20 Kühe fortan kein Kraftfutter mehr erhielten, ihre Nahrung, sobald die Vegetation es zulässt, selber auf der Wiese holen. «Weil wir ein engeres Tal sind und länger Frost haben, ist dies in der Regel von April bis Ende Oktober möglich. 2023 konnten wir unsere Brown Swiss, Swiss Fleck und Simmentaler aber schon von April bis Mitte November weiden lassen.» Im Wochen- oder Zehntagesrhythmus wird die Futterweide gewechselt. Während des Winters erhalten die Tiere Heu und Emd vom 21 ha grossen Betrieb.
Wenn es hoch kommt und Bedarf da ist, gibt es ab und zu auch Maiswürfel, ebenso wenn die Kühe gekalbt haben. Umgestellt haben die Hagmanns auch bei der Fortpflanzung der Kühe. Früher, so der Bauer, seien sie künstlich besamt worden. «Da musste immer jemand dabei sein.» Mit dem Kauf eines Munis setzt der Bauer auf den Natursprung. «Rückblickend gesehen haben wir weniger unerwartete Problemfälle im Stall, auch bezüglich der Fruchtbarkeit. Ich bin zeitlich – auch dank eines Melkroboters – weniger angebunden und weniger häufig im Stall. Im Gegenzug haben die Kühe heute eine durchschnittliche Milchleistung von 6000 Liter im Jahr.» Doch dies, so Hagmann, reiche aus für sein zweites Standbein.
www.kamerasau.ch
Denn seit der Umstellung auf extensive Bewirtschaftung führen die Hagmanns auch eine Hofmolkerei. Hier werden Joghurts, Desserts und Birchermüesli hergestellt. «So wie wir bei der Milchproduktion bewusst auf Soja verzichten, tun wir es in der Molkerei auch mit Palmöl. Wir verarbeiten nur Erzeugnisse und Früchte aus der Schweiz und setzen auf Knospenhaferflocken und nicht auf europäische Fabrikate.» Auch bei der Verpackung spielt die Nachhaltigkeit eine Rolle. Organisch abbaubarer Karton kommt zum Zug. Hagmann ist ein «Tüftler», und so studiert er schon an der nächsten Idee herum, um die freigesetzte Energie seines Hofes möglichst im Betrieb zu behalten oder sie hier zu produzieren. Der Mann, der vor Ideen nur so sprudelt, sorgte ja bereits während der Pandemie mit seiner «Kamerasau» für Furore. Diese Freilandschweine (damals mit einer Kamera auf dem Rücken) auf dem IP-Suisse-Hof unterstreichen die Philosophie der Hagmanns ohne Worte, dafür mit einem zufriedenen Grunzen.
Kein Kraftfutter für die Kühe