News aus dem Kanton St. Gallen

Kampagnenplakat von Brot für alle erhitzt die Gemüter

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02.03.2021
Je weniger Fleischkonsum, desto mehr Regenwald – das suggeriert das Plakat von Bfa. Doch so direkt stimme das nicht, kritisieren Rheintaler Bauern.

Ein junges Pärchen steht fröhlich am Grill, der voll mit Fleisch bestückt ist. Sie sind sich nicht gewahr, welchen Schatten sie werfen: Einen verbrannten Regenwald mit rauchenden Baumskeletten. Darüber in grossen Lettern: «Weniger Fleischkonsum. Mehr Regenwald.» Diese Botschaft sendet das Plakat der Kampagne von Brot für alle (Bfa) und Fastenopfer aus. Bloss: Stimmt sie auch?

Einheimisches Futter für Rinder

«Die Aussage ‹Weniger Fleischkonsum gleich mehr Regenwald› stimmt so nicht», kritisiert Bäuerin Marianne Kramer aus Gams. Zusammen mit anderen Bäuerinnen und Bauern aus dem Umfeld der Rheintaler «Puure-Kirche», einem von der Reformierten Kirche unterstützten Projekt, wehrt sie sich gegen das Kampagnenplakat.

 

«Wie soll man unsere Bergweiden und Maiensässe bewirtschaften, wenn nicht durch Rinder?»

 

«Unsere Mutterkühe und Kälber fressen ausschliesslich hofeigenes Futter.» Für den Anbau des Tierfutters werde also kein Regenwald verdrängt. Bauer This Eggenberger aus Grabs ergänzt: «Das Plakat mag gut gemeint sein, ist aber oberflächlich und wird unserer Art der Fleischproduktion nicht gerecht.» Auch er verzichte auf Soja und importiertes Futtermittel. «Im Sommer weiden unsere Tiere auf der Alp, im Winter fressen sie Heu- und Grassilage aus dem eigenen Betrieb.» Und er schiebt nach: «Wie soll man unsere Bergweiden und Maiensässe bewirtschaften, wenn nicht durch Rinder?»

Die Bauernbetriebe aus Grabs und Gams sind keine Einzelfälle. Rund 85 Prozent des Futtermittels für das Schweizer Rindvieh stammen aus dem Inland, der Rest grösstenteils aus der EU. Es wird also kaum Regenwald gerodet für Schweizer Rindfleisch.

Importiertes Futter für Geflügel

Anders sieht es bei Schweinen und Geflügel aus. Während bei Schweinen noch die Hälfte des Futters im Inland angebaut wird, ist es beim Geflügel nur gut ein Viertel. Ein wesentlicher Teil des importierten Geflügelfutters ist Soja, wovon rund zwei Drittel in Brasilien angebaut werden – wohl auch auf Land, das dem Regenwald durch Brandrodung abgetrotzt wurde. Für Schweinefleisch und Geflügel, das mit der Bio-Knospe zertifiziert ist, wird aber laut Biosuisse ausschliesslich Futter aus Europa verwendet.

Rülpsen und Furzen heizt Klima an

Allerdings verursachen auch Rinder und Kühe Treibhausgase. Wiederkäuer rülpsen und furzen und stossen so grosse Mengen Methan aus. Dagegen gibt es Strategien, wie etwa die Beigabe von Leinsamen zum Futter oder gezielte Züchtungen. Doch deren Potenzial ist begrenzt, wie eine Studie der Forschungsanstalt Agroscope aufzeigt.

Solche Zusammenhänge werden durch das Plakat der Bfa-Kampagne kaum deutlich. Wie reagieren die Verantwortlichen auf die Kritik? «Ja, das Kampagnenplakat polarisiert», schreibt Lorenz Kummer, Medienverantwortlicher von Bfa, auf Anfrage. «Das Plakat soll dazu anregen, den Fleischkonsum zu hinterfragen.» Es gehe nicht um «Kein Fleisch», sondern um weniger und bewussten Konsum. «Damit sollen die Konsumentinnen und Konsumenten auch angeregt werden, vermehrt lokalen und saisonalen Produkten den Vorrang zu geben.» Gegen diese Botschaft hat auch Bäuerin Elisabeth Graf aus Rebstein nichts einzuwenden. Es müsse ja nicht jeden Tag Fleisch auf den Tisch kommen. Als alternativen Slogan schlägt sie vor: «Bewusster Fleischkonsum schützt den Regenwald.»

 

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