News aus dem Kanton St. Gallen
Kirchlicher Sozialdienst: Lukas Weibel sagt adieu

«Junge Menschen machen das Beste aus ihrer Zeit»

von MM/BWZT
min
20.06.2024
Mit dem Aufbau eines kirchlichen Sozialdienstes beschritt das Berufs- und Weiterbildungszentrum Toggenburg 1987 neue Wege. Nach 33 Jahren geht Sozialarbeiter Lukas Weibel nun in Pension und übergibt den Dienst in neue Hände.

Schulsozialarbeit? Das war in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre in der Schweiz gänzlich unbekannt. Dennoch war es den Landeskirchen ein Anliegen, Schulabgänger weiterhin seelsorgerisch zu begleiten. So bauten die evangelische Landeskirche des Kantons St. Gallen und der katholische Konfessionsteil einen kirchlichen Sozialdienst auf. Partnerschule wurde das heutige Berufs- und Weiterbildungszentrum Toggenburg (BWZT) in Wattwil.

1991 übernahm Lukas Weibel die mit 50 Prozent dotierte Stelle von seinen Vorgängern, die den Dienst aufgebaut hatten. Er kam frisch von der Ausbildung zum Sozialarbeiter und war noch rekonvaleszent nach einem Gleitschirmunfall in Südamerika. «Da kam mir das Teilzeitpensum gerade recht. Und ich wollte dieses nie aufstocken, so konnte ich nebenberuflich weitere Aufgaben übernehmen», erzählt er.

Schulsozialarbeit bekannt machen

Rund zehn Prozent der Lernenden und deren Bezugspersonen suchen Lukas Weibel auf. Die jungen Erwachsenen leben heute in einer anderen Zeit als damals am Anfang seiner Karriere, haben heute andere Herausforderungen. In den 1990er Jahren hiess «Social» noch reale Beziehungen. Handys hatten die Jungen noch keine. Diese wurden in dieser Zeit bei den Erwachsenen populär. Heute heisst es «Social Media» und Beziehungen werden bei Jung und Alt oft virtuell gelebt. Mobiltelefone sind heute bei allen Standard.  

«Die jungen Menschen sind nicht schlechter geworden. Sie machen das Beste aus ihrer Zeit», sagt Lukas Weibel. Nicht verändert hat sich der Ansatz bei seiner Arbeit. «Zuerst einmal ist es wichtig, dass die Lernenden unsere Dienstleistung kennen», betont er. Aus diesem Grund stellt er sich am Anfang des neuen Schuljahres den Neueintretenden mit Leuchtweste vor. Dabei nutzt er bewusst die Parallele zu einem Notfall, wo auch leuchtende Sicherheitswesten zum Einsatz kommen. In der Zeit zwischen Schulanfang und Herbstferien besucht er die neuen Klassen, um sich und die Dienstleistung vorzustellen. Er sage dann stets: «Ich wünsche mir, dass ihr mich nicht braucht. Aber auch, dass ihr mich nicht mehr vergesst.»

 

Ausprobieren und ‹spinnen› gehören zum Erwachsenwerden.

Wichtig ist ihm, nicht nur für die Lernenden da zu sein, sondern auch für die Lehr- und Bezugspersonen, den Hausdienst und alle übrigen Mitarbeitenden der Schule. «Vor allem die Lehrpersonen stehen in einer engeren Beziehung zu den Lernenden und sind daher wichtige Sensoren, wenn es irgendwelche Probleme gibt», erzählt Lukas Weibel.

Krisen laufen immer gleich ab

Sucht jemand – sei es ein junger Mensch oder ein Erwachsener – bei ihm Hilfe, bietet Lukas Weibel Begleitung und zeigt auf, dass diese Situation aktiv bewältigt werden muss. Jede Krise laufe gleich ab, erklärt er. Ein Mensch kommt in eine schwierige Situation im Leben, in der eine Veränderung notwendig ist. «Meine Aufgabe ist es nicht, die Situation zu lösen. Jeder muss die Entscheidungen selbst treffen und die Veränderungen einleiten.» Zuerst ist das ein Gespräch, vielleicht sind einschneidendere Massnahmen wie die Auflösung eines Lehrvertrags oder ein Wechsel der Ausbildung nötig.

Lukas Weibel ist sich bewusst, dass er nicht allen helfen kann. «Ich bin als Sozialarbeiter weder Therapeut noch Heiler», stellt er klar. Er bricht eine Lanze für die jungen Menschen und plädiert dafür, ihnen in einem gewissen Sinn ein Lernfeld zu überlassen. «Ausprobieren und ‹spinnen› gehören zum Erwachsen werden», ist er überzeugt. Darum wünscht er jedem Jugendlichen, dass er oder sie sich persönlich entwickeln kann, ohne dass gleich eine Fachperson Abklärungen trifft und ihm mit einer Diagnose gleich ein Stigma aufsetzt.

Weibels Werthaltungen

Nicht nur im BWZT ist die Schulsozialarbeit, inzwischen getragen vom Kanton St. Gallen und den beiden Landeskirchen, mittlerweile ein fester Bestandteil im Schulalltag einer Berufsfachschule. Diese ist heute im Kanton St. Gallen auch in der Volksschule präsent. Lukas Weibel gibt Ende Schuljahr seine Aufgabe in neue Hände, nicht ganz unbekannte. «Mein Nachfolger Samuel Roth hat 2008, nach seiner KV-Ausbildung in Lichtensteig, während seines Studiums zum Sozialarbeiter die Praxisausbildung bei mir gemacht», sagt er. Er habe so die Philosophie «learning by doing» mitbekommen und könne diese nun weiterentwickeln. «Ich werde ihm auf den Weg mitgeben, dass er bei den Neueintretenden weiterhin Werbung für das lebensfreundliche Angebot macht. Denn unsere Arbeit wirkt lebensfreundlich, pädagogisch und präventiv».

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