In der Ruhe ankommen
Die Hektik und das Gewusel im Zug treiben mich manchmal in den Wahnsinn. Die Ferien sind vorbei und alle wollen nach Hause. Einige hĂ€ngen in Gedanken den schönen Bildern des Urlaubs nach, andere zermĂŒrben sich bereits den Kopf ĂŒber ihre morgigen Termine. Leute steigen ein, quetschen ihre dicken Koffer in die zu kleinen und ĂŒberfĂŒllten Ablagen, andere steigen aus und suchen hastig das LieblingsplĂŒschtier der Tochter. Ein Kommen und Gehen â ein Gewusel.
Ich sitze vis-à -vis von N. und schaue aus dem Fenster. Beide haben wir kurz nach dem Einsteigen unsere Noise Cancelling Kopfhörer aufgesetzt. Uns ist es zu laut, nach dem ruhigen und entspannten Wochenende. Wir haben uns nach vollen und stressigen Tagen einen Thermenbesuch im Ausland gegönnt. Auch wir sind auf dem Heimweg und dachten, wir haben den LÀrm hinter uns gelassen. Stattdessen lausche ich der Musik, die mich entspannen soll und hÀnge meinen Gedanken nach, wÀhrend N. liest.
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*Musik*
Und mir ist mittlerweile klar, das waren Jahre ohne Pause. Und eigentlich weiss ich genau, was ich brauche. Eigentlich weiss ich genau, was ich brauche. âne Pause. Drei Tage am Meer. Und ich weiss wieder, wer ich bin. (Aus: AnnenMayKantereit: 3 Tage am Meer)
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Der Zug hÀlt und bleibt ziemlich lange stehen. Ich schaue auf und N. ins Gesicht. «Ist das normal?» forme ich lautlos mit den Lippen, da sie mich mit den Kopfhörern nicht hören kann. Sie hebt eine Ohrmuschel an und antwortet: «Ja, hÀlt immer lange hier. So holen wir wenigstens unsere VerspÀtung auf.» Alles klar. Bin ich beruhigt.
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*Musik*
Ich glaub, ich will heut nicht mehr gehân. Ich hab dich viel zu kurz gesehân. Und ĂŒberhaupt, draussen istâs kalt, zu kalt. Und an deinân Fensterecken blĂŒht das Eis. Ich glaub, ich will nie mehr nach Haus. Weil da, wo du bist, ist das auch. Komm, schliess uns ein. Wir sind allein, so leicht. Frag mich, ob das GefĂŒhl fĂŒr immer bleibt. (Aus: Nina Chuba, Provinz: Ich glaub ich will heut nicht mehr gehen)
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Plötzlich steht eine Frau neben mir.
«Entschuldigung, ich sitze hier.» Sie deutet auf meinen Platz.
«Oh, natĂŒrlich.» Ich habe mich vorhin umgesetzt. Mein reservierter Platz ist eigentlich neben N. Also setze ich mich wiederum um, kurz enttĂ€uscht, nun weniger Beinfreiheit zu haben. Die Frau kramt ihr Handy hervor und erklĂ€rt der Person am anderen Ende der Leitung, dass sie bald daheim sei. TatsĂ€chlich dauert die Fahrt nur noch eine Stunde bis zur Endhaltestelle.
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Ich teile ein paar GummibÀrchen mit N., aber sie schmecken nicht.
Dann zieht die Frau ein kleines schwarzes Buch aus ihrer Tasche. Ich erkenne hebrÀische Schriftzeichen und bin neugierig. Sie schlÀgt gezielt eine Seite auf, fÀngt an zu lesen und bewegt dabei ihre Lippen, kein Laut ist zu hören.
Sie betet.
Woher sie wohl die Ruhe nimmt, in diesem lauten Zug, in dieser rastlosen Zeit?
Kurz vorm Aussteigen, sehe ich, wie sie entspannt ihren dicken schwangeren Bauch streichelt.
Ich lÀchle.
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*Musik*
Say goodbye to the sad times. Hello and itâs Christmas. Hanging with good friends. Get the holiday cheer. Say hello to the good times. A blink and itâs Christmas. Ring in the new year and get a present for me, mom. (Aus: Kytes: hello (and it`s chrismas)
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Vera Holz
Vera Holz, Studentin der Religionswissenschaft und TAV-Deutsche Literatur, in Ausbildung zur Gymnasiallehrerin und Podcasterin bei wortreich â der literaturpodcast.
In der Ruhe ankommen