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Südsudan

Im Krieg geboren und aufgewachsen

von Karin Müller
min
08.11.2023
Zum ersten Mal sollen 2024 im krisengeschüttelten Südsudan Wahlen stattfinden. Die südsudanesischen Kirchen wollen Frieden stiften und einen gewaltfreien Urnengang sichern. Wie sie dabei vorgehen, schilderten sie bei einem Besuch bei Mission21 in Basel.

2011 erlangte der Südsudan die Unabhängigkeit vom Sudan. Der Bürgerkrieg, der 2013 ausbrach, verhinderte jedoch, dass das Land zur Ruhe kam. Und obwohl sich die rivalisierenden Parteien 2018 auf einen Friedensvertrag einigten, kommt es in dem ostafrikanischen Staat regelmässig zu Verletzungen der Menschenrechte. Das Land bleibt gespalten. Die versprochenen Wahlen wurden immer wieder verschoben. Gemäss UNO gilt der Südsudan als gescheiterter Staat.

Die Menschen im Südsudan leiden nicht nur unter der autoritären Regierung und den regional immer wieder aufflammenden Stammeskonflikten. Das Land wird von Überschwemmungen und Dürren heimgesucht. 4,5 Millionen Südsudanesinnen und Südsudanesen sind heimatlos. Die meisten suchen Schutz in den Nachbarländern. Über zwei Millionen sind im eigenen Land auf der Flucht. Der Südsudan ist eines der ärmsten Länder der Welt.

Ein christliches Land

Seit Jahren unterstützen das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA und Mission21 den Südsudan im Friedensprozess und in der humanitären Krise. Eine wichtige Rolle spielen dabei die südsudanesischen Kirchen. Die Mehrheit der Bevölkerung, rund 77 Prozent, sind Christen.

Die Kirchen sind seit vielen Jahren in Friedensinitiativen engagiert und haben wiederholt zur Lösung von gewalttätigen Konflikten beigetragen.

Im Oktober weilte der südsudanesische Kirchenbund für eine Retraite bei Mission21 in Basel. Die 16 Bischöfe und Pfarrer aus verschiedenen Konfessionen widmeten sich zusammen mit Vertretern von Mission21 und des EDA der Friedensförderung.

Über die Bedeutung der Kirchen im Friedensprozess sagt Georg Stein, Berater für menschliche Sicherheit der Abteilung Frieden und Menschenrechte des EDA im Südsudan: «Die Kirchen sind seit vielen Jahren in Friedensinitiativen engagiert und haben wiederholt zur Lösung von gewalttätigen Konflikten beigetragen. Sie werden von Konfliktparteien als unparteiisch angesehen und haben eine moralische Autorität, die im ganzen Land wirkt: von der Familie im Dorf bis zur politischen Führung in der Hauptstadt.»

 

«Junge Menschen wie ich konnten noch nie wählen»: Juan Rachel, Vertreterin der südsudanesischen Delegation an der Retraite in Basel. | Foto: Mission21/Samuel Rink

«Junge Menschen wie ich konnten noch nie wählen»: Juan Rachel, Vertreterin der südsudanesischen Delegation an der Retraite in Basel. | Foto: Mission21/Samuel Rink

 

Der Aktionsplan für den Frieden

Ende 2024 sollen im Südsudan die ersten demokratischen Wahlen durchgeführt werden und im Frühling 2025 eine vom Volk gewählte Regierung ihre Arbeit aufnehmen. Die südsudanesischen Kirchen haben bereits 2016 einen Aktionsplan für den Frieden entwickelt. Wie dieser im Hinblick auf die Wahlen aussieht und auf welche Schwierigkeiten die Kirchen stossen, schilderten die Mitglieder des Kirchenbunds bei ihrem Besuch in Basel.

«Das Fünfte Evangelium sind wir selber», meinte James Oyet Latansio, Generalsekretär des südsudanesischen Kirchenbundes, über die Friedensbotschaft der Kirchen. Es gehe darum, Vertrauen zu bilden zwischen der Bevölkerung und der Regierung, betonten die Kirchenvertreter. Der Präsident habe Wahlen versprochen, doch die Opposition bereitet dem Kirchenrat Sorgen. Es gelte, den Frieden, für den man so lange gekämpft habe, vor, während und nach den Wahlen zu sichern, erklärte Juan Rachel. «Junge Menschen wie ich konnten noch nie wählen. Die Jungen wollen ihre politischen Führer wählen, gleichzeitig misstrauen sie ihnen», sagte sie.

 

«Das Fünfte Evangelium sind wir selber»: James Oyet Latansio, Generalsekretär des südsudanesischen Kirchenbundes über die Friedensbotschaft der Kirchen. | Foto: Mission21/Samuel Rink

«Das Fünfte Evangelium sind wir selber»: James Oyet Latansio, Generalsekretär des südsudanesischen Kirchenbundes über die Friedensbotschaft der Kirchen. | Foto: Mission21/Samuel Rink

 

Zukunftsperspektiven für Jugendliche

Mit Trainingsprogrammen stärken die südsudanesischen Kirchen das zivile Engagement der Bevölkerung, insbesondere fördern sie die gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Selbstbestimmung von Jugendlichen und Frauen. Die meisten Südsudanesinnen und Südsudanesen kennen kein Leben im Frieden, sie sind im Krieg geboren und mit Gewalt aufgewachsen. «Wir wissen nicht, was Friede bedeutet», sagte Bischof James Ladu. Es sei die Aufgabe der Kirchen, den Hass zu überwinden und Frieden zu stiften. «Wir müssen die Menschen davon überzeugen, dass sie nicht gegen ihre Brüder und Schwestern kämpfen müssen.»

Wir wissen nicht, was Friede bedeutet.

Über 60 Prozent der südsudanesischen Bevölkerung sind unter 24 Jahre alt. Es brauche, so die Kirchenvertreter, wirtschaftliche Perspektiven für die Jugend. Kinder und Jugendliche seien besonders von Gewalt und Hoffnungslosigkeit betroffen. Sie würden von den politischen Parteien beeinflusst und vereinnahmt, in den Vorstädten seien viele organisiert und bewaffnet, sagte Arek Francis Malik. Es gelte, ihre Resilienz zu stärken. Die Kirchen bieten Kindern und Jugendlichen Räume, wo sie sich treffen können, sowie ökonomische Projekte, die sie selbständig betreuen, etwa die Konservierung von Fisch oder das Recyceln von gebrauchten Materialien.

 

Arek Francis Malik (2.v.l.): «Kinder und Jugendliche sind besonders von Gewalt und Hoffnungslosigkeit betroffen.» | Foto: Mission21/Samuel Rink

Arek Francis Malik (2.v.l.): «Kinder und Jugendliche sind besonders von Gewalt und Hoffnungslosigkeit betroffen.» | Foto: Mission21/Samuel Rink

 

Selbstbestimmung für Frauen

Zudem sollen die Frauen eingebunden werden. Dafür müsse man im patriarchalischen Südsudan bei den Männern das Bewusstsein schärfen. Von der Kirche geschulte männliche Verbündete sollen helfen, dass Frauen sich für eine friedliche Gemeinschaft einsetzen können.

Die Befürchtung, dass sich wenig ändert und nach den Wahlen weiterhin die alte Garde das Land regiert, ist gross. Die Präsidentschaft von Salva Kiir war als Übergangsregierung gedacht. Doch nun ist Kiir der erste und bisher einzige, der kandidiert. Doch trotz der Angst vor Gewalt und Betrug verstehen es die Kirchenvertreter als Hoffnungszeichen, dass das Land überhaupt über Wahlen reden kann. Und sie glauben fest daran, dass die Wahlen dieses Mal stattfinden und der Friede einziehen wird.

 

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