News aus dem Kanton St. Gallen

«Ihr seid der Leib Christi»

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21.03.2017
Das Brot, das wir brechen, ist es nicht Teilhabe am Leib Christi? Weil es ein Brot ist, sind wir, die vielen, ein Leib. Denn wir alle haben teil an dem einen Brot. 1. Korintherbrief 10, 16b–17

Im Frühjahr überkommt uns das Bedürfnis, aufzuräumen. Sind Sie bereit für einen theologischen Frühlingsputz? Dann legen Sie alles auf den Tisch, was Sie von der christlichen Leibfeindlichkeit gehört haben. Und dann schieben Sie es in den Eimer. Tabula rasa. 

Leben, Tod und Auferstehung Christi 

Der Grund für diese radikale Aufräumaktion ist die Rolle des Leiblichen im Urchristentum und hier besonders bei Paulus. Leben, Tod und Auferstehung Christi sind für ihn der Zielpunkt der alttestamentlich-jüdischen Heilshoffnungen und Ausgangspunkt der christlichen Heilsverkündigung. Wie einfach wäre es, sich die Menschwerdung Gottes als rein-seelisch-geistlichen Vorgang vorzustellen. Diesen Gefallen machen uns jedoch die ersten Christen und insbesondere Paulus nicht, im Gegenteil. Sie schildern das Wirken, das Sterben und auch die Auferstehung von Jesus Christus mit aller schmerzhaften Konsequenz als körperlichen Vollzug von Gottes unverbrüchlicher Liebe zu den Menschen. Jesus Christus ist die Verkörperung dieser Liebe, im wahrsten Sinne des Wortes. 

Teilhabe am Leib Christi

In vielen Wendungen hat Paulus die Verbundenheit des Christen mit dem Leib Christi beschrieben, am häufigsten mit der griffigen Formel «in Christus»: Durch die Taufe lebt der Mensch «in Christus» und ist Teil des Kreuzigungs- und Auferstehungsleibes. Der Apostel schildert mit Wortkreationen wie «mitgekreuzigt werden» und «mitleben» (Römer 6) diese mystisch zu nennende, existentielle Teilhabe an Christus. 

Konsequenterweise ist für Paulus auch das Abendmahl Ausdruck der körperlichen Verbundenheit mit Christus, und zwar auf zwei Ebenen. Zunächst geht es Paulus um die leibliche Gemeinschaft mit Christus: Brot und Wein als Symbole für den Körper und das Blut Christi verweisen auf den Tod und die Auferstehung, die das Leben «in Christus» bestimmen. Doch Paulus geht darüber hinaus und eröffnet eine weitere, neue Perspektive. In ihrer Verbundenheit mit dem Auferstandenen sind die Christen nicht nur mit Christus, sondern auch untereinander verbunden. Mehr noch: In ihrer Gemeinschaft mit dem Leib Christi bildet der zusammengewürfelte Haufen eine Gemeinschaft.

Was Gemeinschaft ermöglicht

Auf der Grundlage seiner Überlegungen zum Abendmahl entfaltet Paulus auch die berühmte Vorstellung der Gemeinde als Leib mit vielen Gliedern («Ihr seid der Leib Christi, als einzelne aber Glieder»). Er formuliert damit einen Lösungsansatz für ein Problem, das seinerzeit die Christen in Korinth und das heute Kirchgemeinden in der Schweiz beschäftigt: Wie können wir, in Anerkennung der Vielfalt und in Respektierung individueller Bedürfnisse, eine Gemeinschaft sein oder sogar eine Einheit bilden? Diese Frage geht über den kirchlich-ökumenischen Diskurs hinaus, sie betrifft den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt und aktuell auch Staatenbündnisse. Die Antworten auf diese Frage mögen zurzeit beängstigend kontrovers ausfallen oder gänzlich fehlen. Beim Abendmahl in der Passions- und Osterzeit legen wir ein Statement des Vertrauens und der Gewissheit ab: Wir glauben, dass wir mit unserem Leib teilhaben am Leib des Gekreuzigten und Auferstandenen. Wir glauben an die Gemeinschaft von Gott und Menschen und damit an die Gemeinschaft der Menschen untereinander. Wir glauben.

 

Text: Markus Anker, Seelsorger an der Universität St.Gallen, Bild: Antoinette Lüchinger, Rapperswil  – Kirchenbote SG, April 2017

 

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