Hungern für den vollen Tank
Die Idee war gut gemeint: Wertvolles Erdöl durch nachwachsende Rohstoffe ersetzen. Das schont Ressourcen und hilft dem Klima. Doch leider verhält es sich mit dem Ökosprit wie mit jener faustischen Kraft, die stets das Gute will und stets das Böse schafft.
Riesiger Bedarf an Anbauflächen
Denn Biodiesel hat garstige Nebenwirkungen, die sich durch Marktanreize noch verstärken. So hat die Agentur für erneuerbare Energien berechnet, dass die Anbaufläche für den in der EU benötigten Biomost heuer bei knapp 32 Millionen Hektar liegen müsste. Das entspricht fast der Grösse Deutschlands. Weil den Deutschen aber noch andere Verwendungen ihres Landes vorschweben, als allein Raps oder Soja darauf anzubauen, werden die Anbauflächen in armen Ländern des Südens «erschlossen». Kritiker sagen «geraubt». Und das keineswegs klimaneutral.
Explodierende Lebensmittelpreise
So stieg die weltweite Produktion von Agrodiesel in den letzten zehn Jahren von 7 auf 37 Milliarden Liter, die von Ethanol im gleichen Zeitraum von 55 auf 123 Milliarden Liter. Parallel dazu explodierten die Lebensmittelpreise, wie der Welternährungsbericht festhält. Bitter für die Ortsbevölkerung. Die OECD prognostiziert einen weiteren Anstieg der Produktion von Biodiesel und Ethanol. Brasilien, Malaysia und Indonesien sind wichtige Produzenten. Aber auch Afrika gerät in den Fokus. Nach Erkenntnissen des Leibnitz Instituts für globale Studien dient dort ein Viertel des grossflächigen Landerwerbs durch ausländische Investoren dem Anbau von Pflanzen für die Spritproduktion.
Klimavorteil umstritten
Ein lohnendes Geschäft. Aber nur für die Firmen. Die Mägen der lokalen Bevölkerung gehen leer aus, braucht es doch zur Produktion von 50 Litern Bioethanol 232 Kilo Mais. Davon könnte ein Mensch in Sambia mehr als ein Jahr leben. Und auch die erhofften Klimavorteile sind umstritten. Biodiesel produziere mehr CO2 als Erdöl, steht im Welternährungsbericht, dem zahlreiche Hilfswerke wie das HEKS angehören. Dies, weil für den Anbau Regenwälder abgeholzt oder wertvolle Anbauflächen in «Mais-Wüsten» verwandelt würden.
Eigenständige Ernährungspolitik
Der Welternährungsbericht plädiert darum für Ernährungssouveränität, also das Recht, nicht nur Nahrung zu haben, sondern auch über ihre Produktion verfügen zu können. «Die Annahme, Durchschnittszahlen der Nahrungsmittelproduktion eines Landes seien Belege für Ernährungssicherheit, täuscht hinweg über Verteilungsbeschränkungen, politische Zugangsbegrenzungen und die Unmöglichkeit, Nahrungsmittel zu kaufen», heisst es. Souveräne Staaten müssten darum selbst über ihre Agrar- und Ernährungspolitik bestimmen, so das HEKS.
Text: Reinhold Meier, Journalist BR und Psychiatrie-Seelsorger | Foto: Pixabay
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