«Hier stehe ich!»
Nicht weit von der Schweizer Grenze, dort, wo heute viele Schweizer einkaufen, in Konstanz, ist Martin Schmidt aufgewachsen. Konstanz war aber stets mehr als ein Einkaufsparadies. Bis ins 19. Jh. war der Bischof von Konstanz auch für die heutige Ostschweiz zuständig. Konstanz war früh eine Universitätsstadt und kennt seit der Reformation einen weltoffenen Protestantismus.
Liberale Prägung
Hier hat der St.Galler Kirchenratspräsident Martin Schmidt zusammen mit zwei Geschwistern seine Jugend verbracht – in einem gut bürgerlichen, liberalen Elternhaus, in dem keine Ideologien geduldet waren. Jede Sache musste erforscht, bewiesen und hinterfragt werden. Erzogen wurde nicht mit Druck, sondern mit Argumenten, mit Überzeugungsarbeit – ein Erbe reformierter Tradition. «In Wissen und in Worten liegt Kraft» habe der Vater nicht nur gesagt, sondern auch vorgelebt, sagt Schmidt. Vater und Mutter unterrichteten Latein – so war auch für Sohn Martin eine A-Matura mit Latein und Griechisch naheliegend.
Seinen Wunsch, Pfarrer zu werden, führt Martin Schmidt auf die guten Erfahrungen mit seiner Landeskirche zurück, konkret auf die liberale Vorortsgemeinde, in der er aufgewachsen ist. Die Mutter gab Sonntagschule, der Vater war Presbyter (Kirchenvorsteher) und er selber habe seine Samstagabende in der Jugendgruppe verbracht. Die Gruppe, die sich auch wieder zum sonntäglichen Gottesdienst mit modernem Liedgut traf, spielte eine zentrale Rolle. «Ich bin ein Gruppenmensch, mag es, unter Menschen zu sein.» So fühlte er sich an den Deutschen Kirchentagen in seinem Element, zu denen ihr Pfarrer mit seiner Jugendgruppe regelmässig hinfuhr. Hier erlebte er «Wirgefühl», eine starke junge Kirche, in der über alles gesprochen wurde und die etwas Pionierhaftes hatte. Es war die Zeit, in der die Kirche zu Osterfriedensmärschen einlud, um gegen Aufrüstung oder AKWs zu demonstrieren. Die Eltern fuhren mit den Kindern hin. Das war etwas Selbstverständliches – nach Luthers Motto: «Hier stehe ich, ich kann nicht anders.» Seine Eltern hätten als Lehre aus dem Dritten Reich mitgenommen, dass man kein Fähnchen im Wind sein dürfe. Es galt, sich zu engagieren, in einer Partei mitzumachen, zu wählen. «Ich erlebte dieses Engagement der Eltern klar mit christlichen Werten verbunden», sagt Schmidt. Und er findet es auch heute wichtig, dass Kirchen nicht nur
mit sich selber beschäftigt sind.
Etwas zurückgeben
Nach seinem Zivildienst in einem Jugendheim hat Martin Schmidt in Tübingen, Basel und Heidelberg Theologie studiert. In Basel lernte er seine jetzige Frau kennen, mit der er während zwölf Jahren in Sevelen wirkte: er zu 100 Prozent, sie zu 50 Prozent, denn in dieser Zeit kamen die drei Kinder zur Welt. Es folgten sieben Jahre Pfarramt in Berneck und fast fünf Jahre als Dozent an der Pädagogischen Hochschule in Rorschach.
Stets übernahm Martin Schmidt Verantwortung: in der Kirche als Präsident seines Pfarrkapitels, als Dekan und ab 2002 als Kirchenrat mit dem Resort Religionsunterricht. In seiner Wohngemeinde Haag ist er im Männerchor und im Schulrat.
Vieles wurde ihm ermöglicht, sagt Martin Schmidt. Dafür sei er sehr dankbar. Ein Freund habe ihm einmal im Hinblick auf das bisherige Leben gesagt, er sei ein «Gesegneter des Herrn».
Seine Wahl zum Kirchenratspräsidenten sieht er als Chance, aufgrund all seiner reichen Erfahrungen an seine Kirche etwas zurückzugeben.
«Hier stehe ich!»