Helfen tut not, schweigen ist Pflicht
Das Spektrum der Straftaten, deren Betroffene die Opferhilfe berät, reicht von Raub, Körperverletzung, Tötung, Drohung, Nötigung, häuslicher Gewalt über Stalking, sexuelle Gewalt, Zwangsheirat, fürsorgerische Zwangsnahmen, Fremdplatzierungen, Verkehrsunfälle, Fahrlässigkeitsdelikte, wie Arbeitsunfälle und medizinische Behandlungsfehler, bis zu Menschenhandel.
Grosse Dunkelziffer
«Die Zahlenverhältnisse bleiben immer ziemlich gleich», sagt Brigitte Huber, Mitglied der Geschäftsleitung der Opferhilfe. «Bei der häuslichen Gewalt ist es aber keineswegs ein Abbild der tatsächlichen Vorkommnisse. Da gibt es eine grosse Dunkelziffer.» Manche Betroffene rufen die Opferhilfe selber an; ein Teil werde aber auch über die Polizei vermittelt, sagt Brigitte Huber: «Wenn jemand eine Strafanzeige einreicht, weist die Polizei auf die Opferhilfe hin. Wenn sie dies wünschen, rufen wir die Betroffenen an.» Auch Hausärzte und Sozialdienste raten Betroffenen, sich bei der Opferhilfe zu melden. Nach sexueller Gewalt ist es möglich, sich am Kantonsspital St. Gallen auf der Soforthilfe medizinisch untersuchen und behandeln zu lassen und für eine allfällige Strafanzeige Spuren zu sichern. Als Soforthilfe ist in den ersten drei Tagen nach einer Tat oft auch eine rechtsmedizinische Untersuchung zur Spurensicherung angebracht.
Alltagsbewältigung
Die Mitarbeitenden der Opferhilfe haben mit traumatisierten Menschen zu tun, die unter den psychischen Folgen einer Gewalttat leiden. «Es geht darum, sie zu stabilisieren, damit sie den Alltag überstehen. Angst und Panikattacken sind normale Reaktionen auf ein abnormales Ereignis», sagt Brigitte Huber. «Oft ist eine Zusammenarbeit mit Therapeuten angezeigt; bei massiven Symptomen ist ärztliche Unterstützung nötig.»
Rayonverbot wird eingeführt
Die Opferhilfe arbeitet mit Opferhilfestellen in anderen Regionen zusammen. Hilfesuchende haben freie Wahl: «Da kommt etwa jemand aus Arbon nach St. Gallen, weil das näher liegt; oder jemand, der in Winterthur arbeitet, sucht die Stelle dort auf. Wir sind stark vernetzt mit Polizei, Rechtsanwälten und Staatsanwaltschaften. Wir beraten über rechtliche Möglichkeiten, so bei Stalking über ein Rayonverbot, das Appenzell Ausserrhoden längst kennt und im Kanton St. Gallen jetzt dann auch eingeführt wird.»
Zur Deeskalation werden manche Frauen in bedrohlichen Situationen ins Frauenhaus geschickt. Aber manipulative, aggressive Konflikte gehen nicht nur immer von Männern aus. Auch Frauen üben Macht und Kontrolle aus. Unter häuslicher Gewalt leiden vor allem die Kinder. Manche Partnerinnen oder Partner halten Gewaltsituationen aus, weil sie sich wegen der Kinder nicht trennen wollen.
Text: Margrith Widmer, Journalistin BR, Teufen | Foto: pixabay – Kirchenbote SG, April 2020
Helfen tut not, schweigen ist Pflicht