News aus dem Kanton St. Gallen

Friedenstauben auf dem Pausenplatz

von Martina Seger-Bertschi
min
19.11.2024
Mia und Robert sind zwei Peacemaker in der Schule Tägerwilen TG. Wie sie dazu gekommen sind, was sie auf dem Pausenplatz erlebt haben und warum es mit dem Menschenbild zu tun hat.

«Ich helfe gerne anderen Kindern», sagt die Fünftklässlerin Mia auf die Frage, weshalb sie sich zur Wahl als Peacemaker (Friedensstifterin) gestellt hat. Der Sechstklässler Robert drückt es ähnlich aus und fügt hinzu: «Ich dachte, dass ich das gut machen kann.» Im Schulhaus Trittenbach in Tägerwilen gibt es von der vierten bis zur sechsten Klasse eine oder einen Peacemaker pro Klasse. Drei bis vier sind jeweils während einer Woche in der Zehn-Uhr-Pause unterwegs – gut erkennbar dank einer gelben Leuchtweste mit einer Friedenstaube darauf. Gibt es Konflikte, helfen sie, bei Bedarf eine Lösung zu finden.

Streit um die Seilbahn

«Ich wurde mal von einem Viertklässler gerufen, weil sich zwei andere Kinder gestritten, sich beschimpft und beleidigt haben», erzählt Robert: «Das sind zwei, die sich überhaupt nicht verstehen. Ich habe ihnen dann geraten, dass sie sich in nächster Zeit einfach mal aus dem Weg gehen sollen.» Auch Mia konnte bei einem Konflikt vermitteln, nämlich als sich Dritt- und Viertklässler um die Seilbahn stritten. 

«Unsere Peacemaker sollen mehr als nur Streitschlichter sein. Sie sind Fachleute zum Thema Gewalt», sagt der zuständige Schulsozialarbeiter Martin Koch. Nach der geheimen Wahl innerhalb der Klasse werden die zukünftigen Peacemaker während anderthalb Tagen ausgebildet. Im Verlaufe des Schuljahres kommen drei Nachtreffen dazu. Der Sechstklässler Robert weiss noch, dass sie verschiedene Arten von Gewalt kennengelernt haben, wie zum Beispiel psychische Gewalt oder Gewalt gegen die Natur. 

Täter und Opfer fühlen sich ähnlich

Mia erinnert sich, in der Ausbildung mehr Gefühle kennengelernt zu haben. Auch der «Opfer-Täter-Zeuge-Kreis» wurde behandelt. Stichwort Gefühle: Die Peacemaker haben im Kurs herausgefunden, dass die Opfer und die Täter sich oft ähnlich fühlen – nämlich wütend, traurig und verzweifelt. 

Martin Koch betont, dass es der Schule bei der Peacemaker-Ausbildung vor allem um die Haltung gehe. Jeder sei mal Opfer, mal Täter – das heisse: «Die Welt ist nicht schwarz oder weiss. Jeder Mensch kann mal etwas Schlechtes tun, ein anderes Mal etwas Gutes.» 

Waren Mia und Robert bei ihren Einsätzen nervös oder ängstlich? Beide verneinen. Robert sagt, er sei gelassen und selbstsicher gewesen. Mia erzählt von der Freude, einen Streit lösen zu können.

Kinder malten Friedenstaube

Ein weiterer Teil des Kurses sind die fünf Schritte der Konfliktlösung. Diese zieren die Betonwand, die sich direkt bei der Treppe zum Eingang befindet. «Auch wenn auf dem Pausenplatz selten alles zusammenstimmt, dass die Peacemaker diese Schritte vollständig anwenden können, geben sie ihnen das Wissen und die Sicherheit, einen Konflikt lösen zu können», sagt der Schulsozialarbeiter. 

Im Gang hängt ein grosses Bild einer selbst gemalten Friedenstaube. Rundherum haben alle Schülerinnen und Schüler unterschrieben. Martin Koch sagt: «Wir setzen damit ein Zeichen, das ausstrahlt. Es macht mit den Kindern etwas, wenn sie jeden Tag an dieser Friedenstaube vorbeigehen.»

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