News aus dem Kanton St. Gallen

Frieden im Mikrokosmos

von Reto Schaufelberger, Pfarrer in Sargans
min
22.12.2024
Beim Wort Frieden denkt man oft an bedeutende, weltbewegende Friedenssschlüsse, die grosse Kriege beenden. Dabei beginnt Frieden im Kleinen und Unscheinbaren.

Meine Frau verfügt über die beneidenswerte Gabe, unglaublich rasch einschlafen zu können. Sobald die Decke sie wohlig umhüllt und ihre Wange das Kissen berührt, schläft sie gefühlte zwei Sekunden später bereits den Schlaf der Gerechten.

Schlafhypnose per Youtoube

Ich frage mich dann manchmal, ob das etwas mit einem reinen Gewissen zu tun hat. Nun, ich habe doch auch meistens ein gutes Gewissen. Und trotzdem fühlt sich mein Geist verpflichtet, den vergangenen Tag nochmals aufzurollen und auf Antworten abzuklopfen, die doch so viel besser gewesen wären als die, die ich tatsächlich gegeben habe. die Aufgaben der nächsten Wochen türmen sich vor dem inneren Auge bedrohlich auf.
Spätestens dann beginnt die Sehnsucht nach dem erholsamen Schlaf.

Fernab des öffentlichen Trubels, nicht im Erdbeben, nicht im Feuer, sondern im Flüstern eines sanften Windhauchs kam Gottes Frieden in die Welt.

Eines Nachts stolperte ich auf Youtube über eine Schlafhypnose. Die Stimme führte mich durch Körperreisen und Atemübungen, sprach von Entspannung, Akzeptanz und dem bewussten Leben im Hier und Jetzt. «Du bist hier», sagte sie, «nicht im Gestern, nicht im Morgen. Du darfst dich nun tief entspannen.» Das klang vernünftig. Weder kann ich vom Bett aus den morgigen Tag aktiv beeinflussen noch die Vergangenheit verändern. Es ist nur das Jetzt, in dem mein Leben
gerade stattfindet.

Frieden, so wird mir klar, beginnt nicht bei bedeutenden politischen Verhandlungen, nicht bei weltbewegenden Ereignissen. Er ist viel unscheinbarer, kleiner. Frieden entsteht im Mikrokosmos unseres Alltags: in einem Lächeln, in einem ehrlichen Dankeschön und in der Erkenntnis, dass ich nicht immer alles im Griff haben muss. Persönliche Momente des Friedens sind wie kleine Samen, die gepflanzt werden. Sie müssen nicht sofort Früchte tragen, aber sie sind da und wachsen im Verborgenen.

Das Kind in der Krippe

In einer Zeit des Umbruchs, der politischen Spannungen und der Entstehung eines Weltreichs wurde einst ein Kind geboren. Fernab des öffentlichen Trubels, nicht im gewaltigen Sturmwind, nicht im Erdbeben, nicht im
Feuer, sondern im Flüstern eines sanften Windhauchs kam Gottes Frieden in die Welt. Der Friede, den die Engel verkünden, ist nicht der umfassende, den die Menschheit in einem Akt der Macht erleben soll. Er beginnt im Stall, in der Unscheinbarkeit, in der Stille. Es ist das Kind in der Krippe, das uns den wahren Frieden schenkt.

Weihnachten lädt uns ein, diesen Frieden in den kleinsten Momenten zu finden und weiterzugeben. Denn der grosse Frieden beginnt dort, wo wir den kleinen Frieden zulassen. In diesem göttlichen Frieden finde ich meinen wohlverdienten Schlaf.

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