Erfolgsrezept für den Friedensdialog
Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat das Leben von Evi Guggenheim Shbeta und ihrer Freunde verändert. «Was an diesem Tag passiert ist, ist eine Beleidigung für die Menschheit. Und für das Menschlichsein, egal ob man Jude oder Palästinenser ist», sagt sie im Zoom-Gespräch. Die gebürtige Schweizerin Evi Guggenheim Shbeta und ihr Mann Eyas Shbeta gehören zur Gründergeneration des Dorfes mit seinen friedenspädagogischen Institutionen.
Jedes Mal, wenn wieder Schüsse fallen, gebe es im Dorf einen Aufschrei. «Wir leben wirklich vor, wie es möglich ist, dass man in gegenseitigem Respekt leben und den Dialog aufrechterhalten kann, auch bei Meinungsverschiedenheiten.» Es brauche dafür aber eine besondere menschliche Grösse, um sich mit dem Leid des anderen zu identifizieren, auch wenn man sich selber bedroht fühle.
Den Dialog aufrecht erhalten
Damit Diskussionen nicht eskalieren, hat die Dorfgemeinschaft eigene Methoden entwickelt. Wenn sich Situationen zuspitzen, dann versammeln sich die Leute vom Dorf unter der Leitung der Friedensschule. Fragen wie «Was für ein Dialog passt jetzt?» werden gestellt. «So halten wir den Dialog aufrecht», sagt Evi Guggenheim Shbeta. So auch in den Komitees, in der Friedensschule oder in der Primarschule. Das Dorf hat spezielle Dialogrezepte («Dialogsessions») entwickelt.
Beispiel: «Wenn man so schockiert ist wie jetzt, dann hat man das Bedürfnis, in einem eigenen Raum mit den eigenen Zugehörigkeitsgruppen einen Dialog zu führen», betont Evi Guggenheim Shbeta. Dabei stünden Fragen wie «Wie geht es dir?» im Zentrum. Erst nach einigen dieser abendlichen Dialoggesprächen in den eigenen Zugehörigkeitsgruppen würde man sich wieder treffen, um den Dialog zwischen Juden und Palästinensern gemeinsam weiterzuführen.
Erfolgsrezept: Ständiges Hinterfragen
In Israel gibt es viele Organisationen, die Graswurzelarbeit machen. Nicht wenige, die sich in diesen Gruppen engagieren, stammen ursprünglich aus der 1978 gegründeten Friedensschule aus Wahat al Salam. «Dort wurden Dialogmodelle erarbeitet, die anerkannt sind. In anderen Friedensarbeiten werden sie ebenfalls benutzt», betont Evi Guggenheim Shbeta.
Wenn man die Friedensaktivistin nach den besonderen Ansätzen dieser Schule fragt, spricht sie von einem «ständigen Hinterfragen, was richtig und was falsch gemacht wird». Und immer wieder müsse man die Praxis an die jeweilige Situation anpassen.
Die Erfahrungen der Friedensschule sind gefragt. Beispielsweise in Spitälern, wo, so Evi Guggenheim Shbeta, ein grosser Teil des medizinischen Personals gemischt sei. «Als Friedensschule werden wir eingeladen. Wir berichten, wie wir den Dialog in unserem Dorf gestalten», erzählt sie. Man müsse immer wieder gut hinhören, die Leute dort abholen, wo sie seien, und mit ihnen überlegen, was der nächste Schritt sein könnte.
«Wir machen etwas richtig»
Evi Guggenheim Shbeta erlebt in ihrem Dorf, dass das friedliche Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern funktionieren kann. «Wenn ich die Kinder gemeinsam in die Primarschule gehen und miteinander spielen sehe, dann machen wir etwas richtig.» Zusammen den Weg gehen, trotz alledem, was um das Dorf herum passiere, «das macht mir Freude und gibt mir Mut». Wichtig in diesen Zeiten seien Angebote wie die Kunstgalerie, eine Plattform für jüdische und palästinensische Künstler. Im Spiritual Center können Leute bei Meditationswochen auftanken.
Welt würde anders aussehen
Im Grunde sei sie ein optimistischer Mensch, sagt Evi Guggenheim Shbeta über sich. Bei diesem Krieg gebe es jedoch nur Verlierer. Die friedensengagierte Frau ist überzeugt: «Wenn von den Milliarden, die in Kriege investiert werden, nur ein Bruchteil in die Bildung gehen würde, dann wäre unsere Welt eine andere.»
Erfolgsrezept für den Friedensdialog