Ein Prozess mit Signalwirkung
Nina Burri, warum unterstützt Heks die Fischer?
In Rahmen seines Mandats engagiert sich Heks gegen Armut, Ungerechtigkeit und für die Würde aller Menschen. Der Klimawandel ist eine der grössten Bedrohungen der Menschenrechte. Vor allem die Bevölkerung im Süden leidet darunter. Der ansteigende Meeresspiegel bedroht die Bewohner auf der indonesischen Insel Pari. Schon heute verzeichnen die Fischer wirtschaftliche Schäden. Das ist ungerecht. Die Fischer richten ihre Klage gegen einen der grössten Verursacher von CO2-Emissionen.
Warum ist das Schlichtungsverfahren mit Holcim gescheitert?
Die Positionen waren schlicht zu weit auseinander.
An den Finanzen hat es nicht gelegen?
Nein, die Schadenssumme von 14'700 Franken könnte Holcim aus der Portokasse begleichen. Holcim wurde kürzlich in den USA dazu verurteilt, 778 Millionen Dollar Strafe zu zahlen, weil ihre Vorgängerin Lafarge in Syrien terroristischen Gruppierungen Schmiergelder bezahlt hatte. Der Hauptgrund, der eine Einigung mit den Fischern verhinderte, war wohl die Forderung, dass Holcim seine Emissionen drastisch reduzieren solle, damit das in Paris vereinbarte Limit der 1,5 Grad Erderwärmung erreicht werden kann.
Hätten die Fischer auch geklagt, wenn Holcim kein Schweizer Unternehmen wäre?
Ich möchte festhalten: Die Fischer haben durch die Klimaerwärmung bereits heute konkrete Schäden erlitten. Sie wissen nicht, ob sie und ihre Kinder auf der Insel noch eine Zukunft haben, und richten sich nun gegen einen der Hauptverursacher der Klimakrise. Wo das Unternehmen seinen Sitz hat, ist dabei zweitrangig.
Aber Holcim ist nicht alleine verantwortlich für den Klimawandel.
Nein, natürlich gibt es sehr viele Mitverursacher. Doch man kann heute wissenschaftlich genau nachweisen, dass Holcim im Laufe seiner Firmengeschichte insgesamt 0,42 Prozent aller industriellen CO2-Emissionen seit Beginn der Industrialisierung verursacht hat. Holcim gehört zu den 50 Unternehmen, die weltweit am stärksten zum Klimawandel beigetragen haben. Die Zementindustrie ist eine der schlimmsten Verursacher von CO2. Jährlich produziert sie bis zu 8 Prozent der Treibhausgase. Damit ist sie viel schlimmer als die Flugindustrie.
Anders gefragt: Hätten die Fischer auch ein chinesisches oder ein amerikanisches Unternehmen angeklagt?
Man klagt dort, wo man die grösste Wirkung erzielt, und in einem Land, das eine unabhängige Rechtsprechung kennt. Mit einem solchen Prozess steht die Schweiz jedoch nicht alleine da. Erst kürzlich wurden die Verwaltungsräte von Shell in Grossbritannien verklagt, weil sie zu wenig gegen den Klimawandel unternehmen.
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Fischer den Prozess gewinnen?
Das ist schwierig einzuschätzen. Es ist das erste Mal, dass ein solcher Fall vor einem Schweizer Gericht verhandelt wird, deshalb gibt es noch viele offene Fragen. International gesehen wurde ein grosser Teil dieser Fragen schon von anderen Gerichten beantwortet. Shell beispielsweise wurde in den Niederlanden dazu verurteilt, seine Emissionen bis 2030 um
45 Prozent zu senken. Wir erwarten, dass die Schweizer Gerichte den Fall mit der gleichen Ernsthaftigkeit angehen.
Falls der Prozess Erfolg hat, erwarten Sie weitere Klagen?
Der Prozess könnte zu einem Leitentscheid führen, der Signalwirkung hat: einerseits auf die historische Verantwortung der Unternehmen für ihre Emissionen. Und andererseits in Bezug auf die Zukunft. Es geht um die Frage: Wer muss wie schnell den CO2-Ausstoss reduzieren, damit wir das Klimaziel von höchstens 1,5 Grad Erderwärmung erreichen? Diese Frage betrifft uns alle, egal ob wir auf einer Insel im Pazifik oder in der Schweiz leben.
Ein Prozess mit Signalwirkung