News aus dem Kanton St. Gallen

Ein ganz normaler Wahnsinns-Tag im Leben von …

von Katharina Meier
min
28.06.2024
Wer übt ihn nicht, den Spagat zwischen Arbeit, Haushalt, Ehe, Hobby, Kinder und Ehrenamt? Frau X aus St. Gallen beschreibt einen ganz «normalen» Tag in ihrem Leben.

6.05 Uhr: Der Wecker klingelt. Wie ich höre, ist mein Mann schon im Bad. Ich stelle den Wecker auf Schlummern, drehe mich nochmals um. 

6.14 Uhr: Wieder klingelt der Wecker. Nun aber raus aus den Federn, ab ins Bad. Mein Mann macht bereits das Frühstück für uns. In meinen Gedanken stapeln sich schon wieder einige Aufgaben: Wäsche noch vorbereiten, damit ich sie am Abend aufhängen kann. Die Kinder in der Sommerbetreuung anmelden. Hatte ich der Musiklehrerin bereits eine Rückmeldung gegeben, dass mein Sohn diese Woche leider nicht zum Unterricht kommen kann?

6.30 Uhr: Mein Mann weckt die Kinder. Ich übernehme fliegend in der Küche und bereite Gemüse und Brot fürs Znüni vor. 

6.50 Uhr: Gemeinsames Frühstück – wobei mein Mann schon halb auf dem Sprung ist. Er übernimmt heute Abend die Kinderbetreuung und fährt deshalb früher ins Geschäft. In der Regel widme ich mich morgens den Kindern, ehe sie in die Schule müssen.

7.10 Uhr: Anweisung an die Kinder, sie sollen bitte Hände und Gesicht waschen, Zähne putzen und eincremen. 

7.13 Uhr: Ich höre mit einem Ohr Richtung Bad. Es scheint zu klappen. Keine Diskussionen und Unstimmigkeiten heute, bei denen ich sonst gelegentlich eingreife. Manchmal schlichte ich, manchmal halte ich es auch aus – denn Kinder können diese Streitereien im Bad ja auch selber lösen.

7.25 Uhr: Fragen meiner Kinder prasseln auf mich ein: «Mama, wird es heute regnen?», «Mama, kannst du bitte noch den Test unterschreiben», «Mama …» 

Ich wäre ohne meine Familie unvollständig und ohne Arbeit unglücklich.

7.38 Uhr:  Die Kinder gehen zur Schule. Diese knappe Viertelstunde ist für mein Gehirn manchmal Hochleistungssport. Gedanklich alles zu managen, sich selber für die Arbeit zu richten und dabei möglichst pünktlich aus dem Haus zu kommen. Ist es nur bei mir jeweils so anspruchsvoll?

7.40 Uhr: Ich düse noch einmal durchs Haus. Sind alle Fenster zu? Küche aufräumen, ach ja, die Wäsche noch schnell vorbereiten. Und dann nichts wie los zur Arbeit. Gott sei Dank ist es trocken, und so bin ich in zehn Minuten im Geschäft. 

7.48 Uhr: TĂĽr schliessen, das Velo satteln.

7.58 Uhr:  Ankunft im Büro. Schon geht’s los mit einer Sitzung. 

9 Uhr: Endlich ein Tee, Austausch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. 

9.15 Uhr: Pendenzen abarbeiten, Mitarbeitergespräch vorbereiten und dann führen. 

12 Uhr: Mittagspause. Durchatmen. Mit Kollegen über Gott und die Welt reden. 

13 Uhr: Weiter geht’s: Vorbereitung für den Verwaltungsrat, Anträge schreiben, Mitarbeitergespräch nachbearbeiten. Allgemeine Pendenzen abarbeiten. 

13.48 Uhr: Mein privates Handy klingelt: Eine Mama fragt, ob mein Kind am Nachmittag zu ihnen kommen könne. 

14 Uhr: Ich rufe bei der Betreuung an und organisiere das … 

14.03 Uhr: Wo war ich stehen geblieben? Ach ja – die Pendenzen. Stelleninserat vorbereiten und in den Medien veröffentlichen, eine Medienmitteilung schreiben. Die Webseite anpassen. Dazwischen viele klärende Telefonate. Neue Aufträge kommen rein. Nicht, dass ich davon zu wenige hätte. Manchmal sieht mein Pult aus wie ein aufgeplatztes Kissen.

17.15 Uhr: Ich schaue auf die Uhr: Was??? Schon so spät. Ich habe das Gefühl, nur die Hälfte von dem geschafft zu haben, was ich eigentlich vorhatte. 

17.30 Uhr: Ab nach Hause. Auf dem Weg dahin noch kurz einkaufen. Ach ja, für einen Kindergeburtstag sollte ich ja noch ein Geschenk organisieren. 

18.15 Uhr: Zu Hause. Mein Mann ist bereits da, hat den Tisch gedeckt, die Kinder begleitet, damit sie pünktlich zum Hobby kommen, oder sie bei den Hausaufgaben unterstützt. 

18.30 Uhr: Wir essen Znacht. Es wird viel erzählt, gelacht, geklärt und organisiert. Und immer wieder die Frage: Findet das Kinderfest nun statt? Für jede St. Galler Familie ist das Fest ein Highlight in jeder Hinsicht. Die einen freuen sich sehr darauf. Andere Kinder finden das mit den weissen Kleidern weniger toll. Eltern, welche nicht in St. Gallen arbeiten, stellt es alle drei Jahre vor eine Herausforderung, da es sich geschäftlich schlicht nicht immer einrichten lässt, die Termine zu verschieben. Wann findet es endlich statt?

19.15 Uhr: Eine Sitzung ruft. Ich bin ehrenamtlich in mehreren Gremien engagiert. Auch mein Mann.

19.30 Uhr: Traktanden abarbeiten, argumentieren, entscheiden.

Die Ehrenämter verlangen hinsichtlich Organisation einiges von uns ab. Es kommt auch vor, dass wir abends bei der Wochenplanung feststellen, dass beide am gleichen Abend weg sind, und wir uns fragen: «Wo sind dann eigentlich unsere Kinder?» Selbstverständlich zu Hause. Und wir dürfen dankbar auf ein gutes familiäres und soziales Netz zählen, das uns in solchen Situationen auffängt.

Ui, ich habe die Wäsche vergessen!

Die ehrenamtlichen Einsätze sind manchmal intensiv und dennoch bereichernd. Ich habe Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten – was mir Spass macht. Natürlich wäre manchmal weniger auch gut. Warum ich so viel mache? Ich kann wohl manchmal nicht rechtzeitig Nein sagen.

21.50 Uhr: Zu Hause. Durchatmen, auf die Couch liegen. Austausch mit meinem Mann. 

An solchen Tagen vermisse ich den ĂĽblichen Abendrhythmus mit singen, beten und
kuscheln mit meinen Kindern sehr.

22.25 Uhr: Ich bin müde. Ab ins Bad. 

22.45 Uhr: Ab ins Bett. Wecker richten. 

Wie ich meine Work-Life-Balance halte? Mein Mann und ich stützen uns in jeder Situation. Keiner von uns muss etwas allein stemmen, entscheiden oder verantworten. Wir arbeiten beide 80 Prozent und können so jeweils an einem Nachmittag für die Kinder da sein. Das schafft gegenseitiges Verständnis und auch Ausgleich. Es gibt auch Tage, da ist es eine «Erholung», nach einem Tag zu Hause wieder arbeiten gehen zu können. Manchmal ist es eine Herausforderung, die Hobbys und das Abmachen mit Freunden zu organisieren. Und bei zwei und mehr Kindern, die noch nicht unbedingt gänzlich allein in St. Gallen unterwegs sind, will selbstverständlich immer ein Kind diametral an einem anderen Ort sein als das andere. Da hänge ich abends dann auf der Couch herum und denke: «Puh, das war ein Tag. Da hätten glatt zwei daraus werden können.» Der Ausgleich zur Arbeit ist meistens die Familie. Die Kinder fordern die sofortige Präsenz und da bleibt wenig gedanklicher Spielraum für die Arbeit. 

Mir helfen auch der Sport und die Natur. Manchmal reicht es mir vollkommen, wenn ich kopfüber in meinem Garten hängen kann und sich danach sichtbar etwas verändert hat. Ich wäre ohne meine Familie unvollständig und ohne meine Arbeit unglücklich. 

22.46 Uhr: Ui, ich habe die Wäsche vergessen. Sie muss warten. Morgen ist auch wieder ein Tag. Jetzt nur noch schlafen, schlafen.

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