News aus dem Kanton St. Gallen

Die «Corona-Passion» von Wangen

min
26.02.2021
Vor drei Jahren verlegte Pfarrer Bruno Waldvogel die Passionsgeschichte in die Teufelsschlucht bei Hägendorf. Im März holt er sie zurück in die reformierte Kirche in Wangen. Die Produktion verbindet dabei digitale Technik mit den 2000 Jahre alten Berichten vom Leiden und der Auferstehung Christi.

Bruno Waldvogel produziert gerne unterschiedliche Kunstformen, um geistliche Inhalte zugänglich zu machen: Musicals, Komödien, Hörspiele, Mittelalterromane oder Theaterstücke. 2018 verlegte er die Passionsgeschichte Jesu in die Teufelsschlucht bei Hägendorf und liess sie dort von Schauspielern unter freiem Himmel zwischen schroffen Felsen und Tannen aufführen.

Die Corona-Pandemie mit ihren zahllosen Unsicherheiten stellte den Pfarrer aus Wangen vor neue Herausforderungen. Virusbedingt wurde in der Folge aus dem Passionsweg die «Corona Passion». Statt in der Natur wird sie dieses Jahr in der beschaulichen Kirche von Wangen inszeniert.Ein Team gestaltete die Kirche in ein abgedunkeltes Labyrinth um. Die Besucher werden per Headset durch acht Räume gelotst, wo sie unterschiedlichsten Gestalten aus der Jesus-Geschichte begegnen - lebensgross auf Monitoren projiziert.

Die Covid-19-Sicherheitsmassnahmen hätten dazu geführt, sagt Bruno Waldvogel, dass man bei der «Corona-Passion» auf Digitales setzt. Je eine Gruppe von maximal vier Personen ist dreissig Minuten lang unterwegs, geführt von einem raffinierten Audio-Infrarotsystem. Die Anmeldungen für den Besuch laufen übers Internet oder via Sekretariat.

500 Besucher mit Schutzmassnahmen
Der Erlebnisweg, der eine Woche lang geöffnet ist, kann maximal 500 Besucherinnen und Besucher empfangen. «Die Hygienemassnahmen werden professionell umgesetzt», verspricht Bruno Waldvogel. Die Gruppen sind so getaktet, dass genügend Abstände vorhanden sind. Zwischendurch wird gelüftet und gereinigt.

Das Unternehmen sei technisch anspruchsvoll, aber die Form biete auch eine Chance, sagt der Pfarrer. «Wenn die Besucher so eins zu eins den lebensgrossen digitalen Schauspielern gegenüberstehen und von ihnen angesprochen werden, hinterlässt das doch einen gewissen Eindruck.» In der kommenden Woche finden in Wangen die Dreharbeiten mit den Protagonisten statt.

Digitale Technik, traditionelle Stationen
Auch wenn die «Corona-Passion» auf moderne Technik setzt, ist der Ablauf traditionell. Die Geschichte folgt der Erzählung der Evangelien, angefangen von Palmsonntag über Karfreitag bis nach Ostern. Waldvogel lässt die Besucher durch ein Wechselbad der Gefühle gehen. Stets kommt der Zuschauer einen Moment zu spät und begegnet den unterschiedlichsten Beobachtern des Passionsgeschehens. Von unbändiger Begeisterung bis zu heftiger Ablehnung reichen die Reaktionen der Zeugen. Natürlich darf der hadernde Petrus ebenso wenig fehlen wie der politisch abwiegelnde Pontius Pilatus. Dazwischen gibt es überraschende Momente, Gestalten und Perspektiven, die den historischen Rahmen mal etwas sprengen. So wird aus dem afrikanischen Kreuzträger Simon von Kyrene der Rapper «Parel», der seinen Part rappend reflektiert.

Ostergeschichte neu erleben
«Wir haben ein tolles Ensemble, von denen man ein paar Gesichter schon auf Bühne und Leinwand gesehen hat», schwärmt Pfarrer Waldvogel. Die Ostergeschichte werde so für manchen Besucher hoffentlich da und dort neu erlebbar. So, dass man sich in der einen oder anderen Figur wiederfindet und etwas für sich mit nach Hause nehmen kann. «Die Geschichte ist ja zeitlos und vermittelt Hoffnung in schwierigen Zeiten. Etwas, was wir alle brauchen, und das zur Kernaufgabe als Kirche gehört.»

Tilmann Zuber, kirchenbote-online

Unsere Empfehlungen

Wenn der Glaube einem die Schuhe auszieht

Wenn der Glaube einem die Schuhe auszieht

Die Passionszeit ist traditionell die Zeit des Fastens und der Meditation. Der Journalist Stefan Degen hat «ein Sitzen in der Stille» in einer Kirche besucht und festgestellt, wie frei die Gedanken schweifen. Bericht eines Selbstversuchs.
Der Goldschmied Gottes

Der Goldschmied Gottes

Josua Boesch wirkt mit seinen Metallikonen und seinen Gedichten zum Glauben über seinen Tod hinaus. Sein Leben schwankte zwischen Kunst, Pfarramt, Kloster und dem Rückzug in der Stille und der Einsamkeit.