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Buchrezension

Der Weltuntergang war noch nie so kitschig

von Katharina Meier
3 min
30.03.2025
Der Teufel sieht aus wie George Clooney, Gott wie Emma Thompson. Da wandelt Jesus durch die heutige Welt, kehrt vor dem Jüngsten Gericht auf die Erde zurück, tanzt Salsa und verliebt sich in die durchschnittliche Marie.

«Jesus liebt mich» heisst das zweite Werk von Autor David Safier, erschienen 2008. Die Protagonistin Marie muss einerseits klarkommen, dass ihr Vater, von ihrer Mutter getrennt, eine blutjunge Weissrussin datet und sie selbst am Tag ihrer Hochzeit die entscheidende Frage vor dem Traualtar mit Nein beantwortet. Sie wird zum Gespött ihres Wohnorts Malente, einem idyllischen Ort am See in Schleswig-Holstein. Der Traum einer trauten Zweisamkeit ist ausgeträumt. Marie zieht wieder in ihr Elternhaus und begegnet dort dem Zimmermann Joshua. Der ist ganz anders als alle Männer zuvor: einfühlsam, selbstlos, aufmerksam. Bereits beim ersten Zusammentreffen sagt Joshua zu Marie, er sei Jesus. Doch ist Joshua wirklich der Messias? Marie, nicht besonders bibelfest, hält ihn für durchgeknallt und glaubt ihm nicht, dass Jesus zurzeit auf Erden wandelt und dass das Jüngste Gericht bereits auf den nächsten Dienstag anberaumt ist.

Ich habe ein paar gute Ideen entwickelt, um die Menschen zu quälen: Neoliberalismus, Reality-TV, Modern Talking. Aber alles in allem kann ich dem Menschen nicht das Wasser reichen. Sie sind mit ihrem blöden freien Willen viel zu kreativ.

Allmählich deuten Maries Hirnzellen die Zeichen richtig. Aber als noch brennende Dornbüsche zu Marie sprechen, beginnt sie wieder an ihrem Verstand zu zweifeln, und der Termin des Jüngsten Gerichts passt ihr auch nicht ganz. Mittlerweile ist auch der Satan in Gestalt von George Clooney in Malente eingetroffen. Dieser rekrutiert Maries Schwester Kata und den Ex-Verlobten Sven und ernennt sie zu apokalyptischen Reitern. Die letzte Schlacht zwischen Gut und Böse beginnt. Das Gute obsiegt, auch dank Marie. Sie versteht es, dass Joshua nicht mehr nur bibeltreu zu denken beginnt, sondern den Blickwinkel öffnet, die Welt aus der Perspektive der Erdenbürgerin Marie sieht. Und so wird der beschriebene Weltuntergang so romantisch und kitschig wie nie zuvor. 

Die Passagen, in denen sich Marie mit der Bergpredigt auseinandersetzt, allmählich den Kern der Sätze zu begreifen beginnt und bei ihr ein Wandel stattfindet, aber auch die im Buch abgebildeten Comics ihrer tumorkranken Schwester stimmen versöhnlich.

Die Idee, wie es Jesus im 21. Jahrhundert auf der Erde ergehen würde, auszugestalten, ist nicht neu. Da gibt es das Musical «Jesus Christ Superstar» oder den Film von Martin Scorsese «Die letzte Versuchung Christi». David Safier versucht seinerseits, dem Messias einen zeitgerechten Anstrich zu verpassen, kann sich aber kaum von den unzähligen Klischees (Mutter hat Verhältnis mit Pfarrer etc.) lösen. Da reicht das klug kalkulierte Humorprinzip nicht immer aus. Es ist teilweise ermüdend, wenn nicht gar peinlich. Sind Safier Jesus und seine Aussagen einfach nicht wichtig genug? Trotz Schenkelklopferhumor und Jesus als romantischer Held, wie aus einer Seifenoper entstiegen: Die Passagen, in denen sich Marie mit der Bergpredigt auseinandersetzt, allmählich den Kern der Sätze zu begreifen beginnt und bei ihr ein Wandel stattfindet, aber auch die im Buch abgebildeten Comics ihrer tumorkranken Schwester stimmen versöhnlich. Marie wandelt sich von einer in Selbstmitleid badenden zu einer selbstlosen, toleranten und tatkräftigen Frau. 

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