News aus dem Kanton St. Gallen

Der eigenen Stimme folgen

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25.05.2016
Sie schätzt das Alleinsein, bringt Menschen zum Singen und stellt sich in ihrer Arbeit als Singanleiterin und Ritualbegleiterin in den Dienst der Gemeinschaft.

Es war in diesem Frühling, als Simone Gantner folgendes Lied zufiel: «Jetzt kommt die Zeit, um aufzustehn und rauszugehn. Das Leben freut sich auf deine Gaben. Das Leben freut sich, wenn du dich zeigst.» «Es war eine alte Eiche, die mir das Lied schenkte. Ich komponiere nicht.» Simone Gantner, 1978, leitet Singgruppen. Soeben beendete sie eine Ausbildung als Ritualbegleiterin.

«Bevor ich richtig sprechen konnte, sang ich meine Kinderliederbücher vor- und rückwärts durch.» Sie sei gerne allein draussen in der Natur gewesen. «Am Bach. Im Wald. Ich habe Blumen gepflückt und gesungen. Logisch kommen wir von der Natur. Wir sind Natur. Nur fühlen sich heute viele Menschen davon abgespalten.»

Der Vater war Lehrer in Bütschwil. Es wurde viel musiziert und gesungen im Haus. Simone Gantner spielte Blockflöte, Akkordeon und Klavier. Es folgte der Jugendchor.  «Ich lernte schnell.» Beim Schulkrippenspiel erhielt sie die Toprolle der Maria – und wurde heiser. Der Chor übernahm den Soloteil. Sie begab sich in Stimmtherapie – ausgerechnet, mit ihrem Bezug zum Singen. «Ich wollte immer Lehrerin werden. Nun glaubte ich, dem nicht gewachsen zu sein. Dazu musste man doch singen können.» 

Singen als absichtsloser Raum

«Erst heute ist das Singen für mich wieder ein absichtsloser Raum.» Sie ging zur Schule bis zur Matura, wurde Buchhändlerin. Die Instrumente schloss sie weg. «Ich blieb freilich dem Tanzen und Trommeln verbunden und vertiefte mich in die afrikanische Musik. Und, ja, ich habe auch immer mit anderen gesungen.» 

Es folgten Erfahrungen mit dem Schamanismus und freien religiösen Gruppierungen. «Mir gefielen die mantrahaften Gesänge, mit denen Gott gepriesen wurde, und ich entdeckte, dass das Singen mir einen direkten Kontakt mit der Schöpferkraft ermöglichte, an die ich glaube. Alles ist für mich beseelt. Auf diese Weise konnte ich meine ganze Liebe und Hingabe ausdrücken und direkt aus meinem Herzen mit dieser Kraft kommunizieren.» 

«Singen verbindet mit sich selbst, mit andern, mit der Natur und mit dem Grösseren.»

Die Mutter, eine Klassik- und Opernliebhaberin und selber leidenschaftliche Sängerin, nahm sie an eine Veranstaltung von stimmvolk.ch in Lichtensteig mit. Der Verein gründet seit 2009 überall in der Schweiz Singgruppen. Simone Gantner hatte die Gitarre dabei – und fand sich in der Rolle der Singanleiterin wieder. Sie wurde Mit­arbeiterin im Stadtladen. Dann führte sie «der Wunsch nach mehr Verbindung mit mir selbst und die Suche nach meiner Berufung» nach Ligurien – auf Visionssuche: nach gemeinsamer Vorbereitung vier Tage allein draussen in der Natur, fastend, nur mit Plane, Wasser, Schlafsack, Mätteli ausgerüstet.

«Da, als ich ganz alleine war, wurde mir bewusst, wie sehr mir die Gemeinschaft fehlte. Das war eine sehr überraschende Erkenntnis. Ich bekam den klaren Auftrag, mich mit meinen Talenten in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen.» 

Räume, wo man sich verbinden kann

2013 bis 2016 absolvierte sie die Ausbildung als Visionssucheleiterin und bietet heute Rituale an bei Lebensübergängen, Naturcoachings, Auszeiten in der Natur, und sie singt mit Gruppen Lieder aus aller Welt. «Ich schaffe Räume, wo man sich verbinden kann», sagt sie, erinnert ans Stammwort von «Religion» – «von lateinisch religere, rückverbinden – und dekliniert: 1. Verbindung mit sich selber («Klar fehlt das heute»), 2. mit den anderen («Wir sind menschliche Säugetiere, wir brauchen die Gemeinschaft»), 3. mit der Natur, 4. mit dem Grösseren. 

Der Gesang ist immer mit dabei. Denn die Verbindung, sie schafft die Stimme. Die ihre: zwischen Sopran und Alt. 

www.natur-ritual.ch

 

Text: Michael Walther, Flawil | Bild: z.V.g.  – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2016

 

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