News aus dem Kanton St. Gallen
Biodiversität

«Der ‹Bewahrung der Schöpfung› müssen Taten folgen»

von Cyrill Rüegger
min
23.08.2024
Eine Eidechse sonnt sich in der Totholzhecke. Daneben steuert eine Wildbiene auf die Blumenwiese zu. Mesmerin Jasmin Deck hat rund um die Propstei Wagenhausen viele kleine Lebensräume geschaffen. Sie träumt davon, dass weitere Kirchgemeinden der Natur mehr Platz einräumen.

«Als Christin wünsche ich mir, dass die Biodiversität nicht vor der Kirchentür aufhört.» Jasmin Deck-Allemanns Augen strahlen Entschlossenheit aus, wenn sie auf das Thema Biodiversität angesprochen wird. Man merkt: Diese Frau hat eine Mission. Sie möchte die Kirchenverantwortlichen motivieren, der Natur mehr Platz zu geben. «In der Bibel und in Kirchenliedern wimmelt es nur so von Vögeln, Natur und Biodiversität. In der Realität aber blüht um kaum eine Kirche eine Blumenwiese», betont Deck. Der viel zitierten «Bewahrung der Schöpfung» sollen mehr Taten folgen, fordert sie.

Viele Kleinstrukturen angelegt

Im Gespräch wird schnell klar: Das Engagement für die Natur ist für Jasmin Deck eine Herzensangelegenheit. Es ist kein Profilierungsdrang, der sie antreibt. Und sowieso: «Ich möchte lieber anpacken anstatt reden.» Das macht sie unter anderem als Mesmerin in der Evangelischen Kirchgemeinde Wagenhausen: Die Propstei – ein ehemaliges Benediktinerkloster direkt am Hochrhein, das heute als evangelische Kirche dient – ist ihr Lieblingsraum. Oder besser gesagt: die Umgebung der Propstei.

In kleinen Schritten hat sie die Grünflächen wieder näher an die Natur gebracht: Diesen Frühling konnte sie sogar auf die Unterstützung einer Schulklasse zählen, um zwei Totholzhecken anzulegen, die Insekten und Eidechsen als Unterschlupf dienen. Die Hecken sind ein Teil der sogenannten Kleinstrukturen, die Jasmin Deck seit dem letzten Jahr um die Propstei geschaffen hat. Dazu zählen zudem Wurzelstöcke, Reptilienburgen, Ast- und Laubhaufen, Sandgruben für Wildbienen und – ganz neu – eine Buntbrache. Sie soll Insekten und Vögeln in naher Zukunft das ganze Jahr hindurch als Nahrungsquelle dienen.

Jasmin Deck erklärt: «Der Mensch ist auf bestäubende Insekten angewiesen. Von den weltweit 107 am häufigsten angebauten Kulturpflanzen werden 91 in unterschiedlichem Ausmass bestäubt.»

 

Totholzhecke mit Infotafel. (Bild: Manuel Ditthardt)
Laubhaufen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Asthaufen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Blühstreifen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Diverse Kleinstrukturen. (Bild: Manuel Ditthardt)
Wurzelstock. (Bild: Manuel Ditthardt)

 

Friedhofwiese mähen?

«Die Eidechsen haben die Totholzhecke, die Reptilienburg und den Wurzelstock schnell in Beschlag genommen», sagt Jasmin Deck. «Und kürzlich habe ich am Abend zwei Igel gesichtet, die bei einer Hecke Unterschlupf suchten.» Sie ist ein Stück weit Idealistin, aber keine Fantastin: Ihr ist bewusst, dass die Kleinstrukturen keine Wunder vollbringen können. Die Tier- und Insektenwelt blühe deswegen nicht von heute auf morgen neu auf. «Aber sie schaffen neue Lebensräume für diejenigen Tiere, die da sind. Je mehr solcher Kleinstrukturen es gibt, desto besser funktionieren sie als natürliches Netzwerk.»

Aus diesem Grund lässt Jasmin Deck das vielgehörte Argument, wonach für die Förderung der Biodiversität der Platz fehle, nicht gelten: «Schon auf kleinen naturnahen Fleckchen kann das Leben gedeihen.» Kirchgemeinden, beziehungsweise das Land rund um kirchliche Gebäude, böten besonders grosses Potenzial. «Wer sagt zum Beispiel, dass ein Friedhof immer sauber gemäht sein muss?», fragt Jasmin Deck provokativ. Friedhöfe seien aufgrund ihrer Strukturvielfalt (häufig alter Baumbestand, viel Grünfläche) sehr interessant für biologische Vielfaltsförderung.

Auch die Kirchgebäude selbst könnten mit relativ einfachen Mitteln tierfreundlich ergänzt werden, beispielsweise mit Nistkästen für Mehlschwalben und Mauersegler. Dank Decks Engagement sind rund um ihren Wohnort Eschenz schon rund 90 Kunstnester für Schwalben montiert worden. Und ihren eigenen, naturnahen Garten hat die Naturschutzorganisatorin Pro Natura bereits mit zwei Schmetterlingen zertifiziert.

 

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