News aus dem Kanton St. Gallen
Fokus: Schönheit

Das Geschäft mit der Schönheit

von Noemi Harnickell
min
08.07.2024
Heute legen sich unzählige für die Schönheit unter das Messer. Das Geschäft mit der Hoffnung auf ewige Jugend ist umstritten. Zu Recht?

Wenn Olivia im Sommer ins Schwimmbad geht, muss sie gut aufpassen, dass sich ihre rechte Brust nicht löst und auf den Boden des Schwimmbeckens sinkt. Was nämlich die wenigsten wissen: Olivia trägt eine Brustprothese, ein Ball aus weichem Silikon, der ihrer Brust eine natürliche Form verleiht.

Olivias rechter Brustmuskel hat sich nie ganz ausgebildet. Während eine Brust auf eine normale Grösse angewachsen ist, blieb die andere flach. Olivia ist Mitte zwanzig, sie mag schöne Kleider und geht gerne tanzen. Es ist nicht so, dass die fehlende Brust sie darin behindert. Aber Olivia spürt ihr Fehlen im Alltag. Für sie ist es ein ständiges «Büscheln», wenn sie einen Bikini trägt, es gibt kaum Unterwäsche, die den Silikonball an Ort und Stelle hält.

Frauen entscheiden sich für plastische Chirurgie

In der Schweiz werden jährlich rund 90 000 Schönheitsoperationen durchgeführt. Auch Olivia will sich unters Messer legen. Die Kosten für eine Brust-OP werden von der Krankenkasse getragen. «Frauen definieren sich sehr über ihre Brüste», sagt Marita Stengle. Sie ist Fachärztin für plastische Chirurgie am Inselspital in Bern. Brüste machen ungefähr 60 Prozent von Stengles Arbeit aus. Darunter sind viele Frauen, die nach einer Brustkrebsoperation ihre Brüste mit Eigengewebe wieder aufbauen möchten oder Implantate brauchen.

Positive Wirkung von Schönheitsoperationen

Marita Stengle beobachtet, dass sich Schönheitsoperationen häufig positiv auf das Selbstbewusstsein der Menschen auswirken. «Mir fällt auf, dass Frauen nach einer gelungenen Operation wieder aufrechter laufen», sagt sie. «Dann tragen sie urplötzlich wieder das Kleid, das sie sich ewig nicht getraut haben anzuziehen.»

Schon 2013 hat eine Studie der Ruhr-Universität Bochum sowie der Universität Basel ergeben, dass Menschen nach Schönheitsoperationen gesünder sind. Sie bauen Depressionen ab und können sich besser sozial integrieren.

Die Berufsbezeichnung Schönheitschirurg ist nicht geschützt. Deswegen ist gerade bei günstigen Angeboten im Ausland Vorsicht geboten: Die Nachsorge ist da oft nicht garantiert, und die Hygienestandards sind schlechter. Schadenersatz gibt es bei Unzufriedenheit nur in seltenen Fällen. Ärzte und Ärztinnen haften nicht für das Ergebnis, sofern die Operation ordnungsgemäss abgelaufen ist.

Schönheitschirurgie ist ein Milliardenmarkt. Der Chirurg Werner L. Mang erzählt, bei jeder vierten Operation in seiner Klinik am Bodensee handle es sich um eine Nachoperation von einem auswärts nicht korrekt durchgeführten Eingriff. «Wenn schon eine Schönheitsoperation», sagte er 2005 gegenüber dem «Kirchenboten», «dann muss eine ehrliche und schonungslose Aufklärung über alle Risiken erfolgen.»

Das Leben verändert

Inzwischen sind fast vier Jahre vergangen, seit Olivia die erste Beratung bei Marita Stengle hatte. Wenn sie von der Operation redet, erzählt sie von starken Schmerzen und von schlaflosen Nächten. War es das wert? Olivia zögert keine Sekunde. Ja, sie würde es wiedertun. «Es war nicht so, dass ich meinen Körper nicht akzeptieren konnte», sagt sie. «Ich fühlte mich nie hässlich. Aber jetzt kann ich mir im Laden schöne Unterwäsche und Bikinis aussuchen – sie müssen nicht mehr bloss einen Zweck erfüllen und die Prothese gut abdecken. Ich bin viel entspannter geworden.»

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