News aus dem Kanton St. Gallen

Beten mit Vater, Sohn und Heiligem Geist

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22.05.2017
Bruder Klaus, der Friedensstifter der alten Eidgenossen, betete mithilfe einer einfachen Strichzeichnung. Zwei Kreise sind verbunden durch drei mal zwei Strahlen. Die einen gehen nach aussen, die andern nach innen. Das gibt dem Gebet eine offen bewegte Vielfalt, die nicht kraftlos und beliebig wird.

Gott hat keinen Anfang und kein Ende. Er umfängt alles. Und ist gleichzeitig das innerste Geheimnis in allem, in sich vollkommen. «Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äus- sersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich halten», sagt der Psalm. Ja: Auch jenseits der anderen Grenze, derjenigen der Zeit, ist Gott: Wenn ich zu den Toten sinke, «siehe, so bist du auch da», verwundert sich derselbe Psalm 139. Wohin wir auch gehen – an den äussersten Grenzen stossen wir auf Gott.

Vielleicht noch rätselhafter ist: Die Pflanzen und Tiere atmen. Sie tragen in sich ein Leben, das keimt und sich entfaltet und unzählig vielen Wesen Gestalt verleiht. Gott, erzählt die Bibel auf ihren ersten Seiten, hat dem Menschen das Leben eingehaucht. Aber auch dem Vieh hat er den Atem des Lebens gegeben, gar nicht so anders als den Menschen, notiert der Prediger Salomo. Von innen heraus gibt Gott das Leben und hält es von aussen her zusammen.

«Denn der Heilige Geist bewirkt, dass die Worte des Glaubens den Menschen zu Herzen gehen und mit ihrem Frieden erfüllen.»

Dieser Gott ist Einer. Aber er ist kein einsamer Einzelner, kein «Individuum». Er ist – wahrhaftig unvorstellbar – der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. So sagt es der Name, auf den auch Bruder Klaus getauft worden ist. Gott ist «dreifaltig», er ist «dreieinig», sagen die Theologen abstrakt. Noch bevor er etwas erschaffen hat, hat er schon sein Leben geteilt und freut sich und leidet mit an dem, was ein anderer ist. Gott ist Liebe, schreibt der Apostel Johannes. 

Drei mal zwei Bewegungen

Die Strichzeichnung, mit deren Hilfe Bruder Klaus betet, sammelt sein Loben und Bitten zu einer nie endenden Bewegung. Kleine und grosse Anliegen, Erkenntnisse, Fragen, zuversichtliche Erwartungen kreisen von dem einen zum anderen: Der Vater hat die Welt erschaffen und die Menschen beauftragt, sie zu bebauen und zu bewahren. Schwere körperliche Arbeit ist dazu ebenso nötig wie das weitblickende Planen und Verwalten; technische Hilfsmittel sind ebenso kostbar wie ein zuverlässiger Instinkt. Wie weit soll unsere menschliche Herrschaft über die Schöpfung gehen? Gibt es Grenzen für das, was machbar – oder erlaubt ist? Was will Gott von unserer täglichen Arbeit haben?

Jesus ist der Sohn. Er hat die Kranken geheilt und hat scharfe Worte, gegen die religiösen Verantwortungsträger gerichtet. Zu jeder Zeit warten leidgeprüfte Menschen auf Hilfe, und selbstgefällige Repräsentanten der Macht verdienen ein schonungslos kritisches Wort. Finden wir die Kraft und den Mut dazu? Und wo müssen wir dem Frieden zuliebe auf unser Recht verzichten? Was will Gott von uns zurückhaben, dafür, dass er uns seinen Sohn geschenkt hat?

Der Heilige Geist sorgt dafür, dass Menschen singen vom Kind in der Krippe und in unzählig vielen Sprachen beten mit den Worten, die Jesus seine Jünger gelehrt hat. Auch Bruder Klaus hat Anteil genommen am Schicksal der weltweiten Kirche. Mit Besuchern aus ganz Europa sprach er über die Geheimnisse des Glaubens. «Der Heilige Geist sei euer letzter Lohn», wünscht er den Berner Ratsherren. Denn der Heilige Geist bewirkt, dass die Worte des Glaubens den Menschen zu Herzen gehen und mit ihrem Frieden erfüllen. Dass er dies tut, darum darf man den Heiligen Geist bitten.

Unerschöpfliche Quellen

So hat Bruder Klaus, angeleitet von dem Rad mit den drei Mal zwei Strahlen, gebetet. Das anschauliche Bild verhinderte, dass das Beten an einem einzelnen Anliegen hängen blieb. Es setzte das Bitten und Danken in Bewegung, gab aber auch Halt und Struktur. Die unerschöpflich vielen Quellen des Gebets zerflossen nicht in eine leere Unendlichkeit. Die Bitten schweiften nicht ab ins Beliebige. Auf die Fürbitte für die Kirche folgte das Gebet für die alltäglichen Aufgaben der Bauern, Handelsleute und politischen Machthaber, und dieses wieder gab Raum für das Lob der Barmherzigkeit, die sich in der Pflege der Kranken und der Fürsorge für die Armen ihre Bahn bricht. 

Und bei allem Beten und Bitten stellte sich wieder und wieder die Frage: Und ich? Was können wir geloben und Gott zurückgeben? Aus dieser Bewegung des Gebetes hat Bruder Klaus den Frieden gestiftet, der zum tragenden Grund für die Eidgenossenschaft wurde und ihr eine einzigartig lange Zeit des Friedens geschenkt hat. 

 

Text und Bild: Bernhard Rothen, Pfarrer in Hundwil AR und Präsident der Stiftung Bruder Klaus (www.stiftungbruderklaus.ch)  – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2017

 

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