News aus dem Kanton St. Gallen

Bei der Kirche in der «Stifti»

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21.04.2022
Eine Berufsausbildung als Mesmer gibt es nicht. Die reformierte Kirche im zürcherischen Furttal bildet aber einen Lernenden als Fachmann Betriebsunterhalt aus. Er lernt nicht nur, Wasserhähne zu reparieren, sondern auch, ein guter Gastgeber zu sein. Ein Besuch bei «Stift» Alaa Khodari und Lehrlingsbetreuer Gordon Danso.

«Ich kenne fast alle Kirchgängerinnen und Kirchgänger und bin mit ihnen per Du, speziell mit den älteren Menschen», erzählt Gordon Danso. Nein, dieser Seelsorger ist kein Pfarrer, aber er arbeitet seit über zwanzig Jahren für die reformierte Kirchgemeinde im zürcherischen Furttal. Heute mit einem Pensum von 20 Prozent als Sigrist – das zürcherische Pendant zum Mesmer – und zu 80 Prozent als Hauswart. «Als Kirchgemeinde, die nur wenige Gottesdienste pro Woche abhält, benötigen wir keinen vollamtlichen Sigrist, aber zwei Mitarbeiter, die sich zusätzlich um den Unterhalt der Gebäude und Gartenanlagen kümmern», erklärt Kirchgemeindeschreiberin Barbara von Gunten. «Sie nehmen die Funktion von Gastgebern wahr, an die man sich mit den verschiedensten Anliegen wenden kann. Sie sind für uns eine ausgezeichnete Visitenkarte.»

Ein väterlicher Freund

Danso ist nicht nur für die Mitglieder dieser Kirchgemeinde eine Vertrauensperson, sondern auch für Alaa Khodari. «Ich bin als Lehrling angestellt und in der Mitte meiner dreijährigen Ausbildung zum Fachmann für Betriebsunterhalt. Gordon ist mein Lehrmeister, aber in der Zwischenzeit auch zu einem väterlichen Freund geworden», erzählt er. «Ich schätze es sehr, dass die Kirche Jugendlichen die Möglichkeit bietet, eine Ausbildung zu machen.» Wenn Khodari berichtet, wie er vor den Gottesdiensten den Rasen pflegt und danach die Kirche reinigt oder Anlässe im Kirchgemeindesaal vorbereitet, spürt man, dass er seine Arbeit gerne macht. Danso sorgt dafür, dass der 20-Jährige alles übt, was er bei seinen Abschlussprüfungen beherrschen muss. Stolz fügt dieser hinzu: «Ich kann schon Wasserhähne reparieren oder WC-Spülkästen optimieren!»

 

«Wenn ich jemanden sehe, der einsam ist, suche ich das Gespräch.»

 

Khodari liebt an seiner handwerklichen Tätigkeit besonders, dass sie so abwechslungsreich und kurzweilig ist und er am Ende ein Ergebnis sieht. Sein Vater ist Tunesier und seine Mutter aus dem Libanon in die Schweiz gekommen, um Modedesignerin zu werden. Alaa wurde hier geboren und ist praktizierender Muslim. «Ich glaube an den Islam, der auch alle anderen Religionen respektiert», betont er. Auch die Furttaler Kirchgemeinde setzt ihre Toleranz ebenfalls in die Praxis um. «Bereits mein Vorgänger war kein Christ», weiss Danso, der 1988 nach der Teilnahme an Studentenprotesten, die blutig niedergeschlagen wurden, aus Angst vor politischer Verfolgung aus Ghana geflüchtet war. 

Vorfreude auf das Wort Gottes

«Als ich nach Regensdorf kam, war die Schweiz für mich ein Paradies», erinnert sich der 61-Jährige. «Wenn man in diesem Land Asyl bekommt, fühlt man sich sogar dann glücklich, wenn man wegen seiner Hautfarbe hin und wieder mit dummen Bemerkungen konfrontiert ist.» Danso ist in Ghana mit dem presbyterianischen Glauben aufgewachsen. «Ich freue mich heute noch jeden Sonntag darauf, in die Kirche zu gehen, das Wort Gottes zu hören und die guten Predigten unserer Pfarrpersonen», schwärmt der Sigrist. Khodaris soziales Engagement ähnelt schon demjenigen seines Lehrmeisters. «Wenn ich bei Anlässen der Kirchgemeinde jemanden sehe, der alleine steht oder einsam wirkt, gehe ich auf diese Person zu und suche das Gespräch. Wenn ich ihr helfen kann, ist das auch für mich ein Erfolg.»

Text | Foto: Reinhold Hönle, Journalist BR, Baden – Kirchenbote SG, Mai 2022

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