News aus dem Kanton St. Gallen
Historisches Zeitdokument

«Basilea Reformata»: Ein Buch über uns Menschen

von Noemi Harnickell
min
13.11.2024
Am ersten Advent erscheint die neue Ausgabe der «Basilea Reformata». Auf rund 400 Seiten verzeichnet das Buch sämtliche Pfarrer und Pfarrerinnen, die seit der Reformation in Baselland tätig waren. Es dokumentiert damit auch den Wandel des Pfarrberufs und seine Bedeutung im Laufe der Zeit.

Die «Basilea Reformata» kommt mit einer Warnung: «Aufgepasst», heisst es im Vorwort: «Beim Hin- und Herblättern der Seiten dieses Buches kann es passieren, dass die weissen Stellen zwischen den schwarz gedruckten Buchstaben und Zahlen plötzlich eine besondere Lebendigkeit erhalten!»

Vermutlich hören Sie gerade zum ersten Mal von der «Basilea Reformata». Und bevor Sie nun das schlechte Gewissen an sich nagen lassen, weil Sie doch immer noch auf Seite 15 von James Joyce’ «Ulysses» festhangen – die «Basilea Reformata» ist ein Buch, das Sie nicht zu Ende lesen müssen. Weil es nämlich nie zu Ende ist.

Pfarrer: Wie der Vater so der Sohn

Die «Basilea Reformata» erschien zum ersten Mal 1929. In ihr sind alle Pfarrer und Pfarrerinnen dokumentiert, die seit der Reformation in Baselland und Basel-Stadt gewirkt haben. Das Werk ist nach Gemeinden sortiert und enthält neben Kurzbiografien zu den Pfarrpersonen auch Geschichten und Erzählungen aus den Gemeinden. Zuletzt erschien sie in dritter Auflage 2002. Seither hat Markus Christ, Alt-Kirchenratspräsident der evangelisch-reformierten Kirche Baselland, an der Aktualisierung des Werks gearbeitet.

Früher wurde der Pfarrberuf oft über Generationen ausgeübt.

Dafür durchforstete Christ Todesanzeigen in Zeitungen, besuchte Archive und führte Interviews. Von jeder Pfarrperson ist in der «Basilea Reformata» nicht nur das Geburts- und in den meisten Fällen auch das Todesdatum erfasst, sondern neben den Pfarrstellen, die bekleidet wurden, zum Beispiel auch Namen und Berufe der Eltern.

Dieses Detail ist für ein historisches Zeitdokument wie die «Basilea Reformata» von grosser Bedeutung, denn es zeigt den Wandel des Pfarrberufs und seiner Bedeutung auf: «Früher wurde der Pfarrberuf oft über Generationen ausgeübt», erklärt Markus Christ. «Wenn man das Verzeichnis so durchblättert, entdeckt man oft ganze Dynastien!» Bis zur Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert war «Pfarrer» noch die häufigste Berufsbezeichnung des Vaters in Basel.

Bräuche aus aller Schweiz erobern Baselland

Anhand der «Basilea Reformata» lassen sich viele Veränderungen und Entwicklungen in den beiden Basler Halbkantonen nachvollziehen. So kamen bis zur Kantonstrennung 1833 die meisten Pfarrer in Baselland aus der Stadt. Danach jedoch mussten diese das Baselbiet verlassen, Pfarrer in der ganzen Schweiz wurden gesucht, und ein bunter Haufen von Traditionen, Bräuchen und theologischen Haltungen eroberte Baselland.

Bis heute halten sich manche dieser Traditionen. In der Ostschweiz zum Beispiel bleibt man während des Abendmahls in der Regel sitzen und lässt sich Wein und Brot an den Platz bringen. Genauso in Oltingen. Ein Zufall? Nein. Die «Basilea Reformata» zeigt deutlich: Dieser Brauch wurde im 20. Jahrhundert durch einen Ostschweizer Pfarrer gleichsam importiert und hält sich hartnäckig.

Es bedurfte erst einer juristischen Interpretation, dass mit dem Begriff ‹Pfarrer› auch Frauen gemeint sind.

Die erste Pfarrerin

Auch die erste ordinierte Pfarrerin Basellands hat einen Eintrag in der «Basilea Reformata». Elisabeth Gretler wurde 1967 als erste Frau in Liestal gewählt. «In der Verfassung stand nur der Begriff «Pfarrer» drin, erklärt Christ. «Das bedurfte erst einer juristischen Interpretation, die besagte, dass damit auch Frauen mitgemeint sind.» Allerdings durften Pfarrerinnen zunächst nur in einem Ort gewählt werden, wo ein männlicher Pfarrer bereits wirkte.

Es ist nur eine von vielen Veränderungen, die in den beiden Basler Halbkantonen seit der Reformation stattgefunden haben. Würde der Reformator Oekolampad heute die Gemeinden besuchen, sie kämen ihm wohl vor wie ein fremdes Land. Durch Fusionierungen hat die Zahl der Gemeinden abgenommen, viele Pfarrer und Pfarrerinnen arbeiten nur noch Teilzeit. «Heute ziehen die Pfarrer das Pfarramt nicht schon mit der Muttermilch ein», erklärt Markus Christ.

Wikipedia für Pfarrpersonen

Christ arbeitet schon an der nächsten Version der «Basilea Reformata». Die wird allerdings voraussichtlich nicht in Buchform erscheinen, sondern online – und interaktiv! So wird es möglich sein, daran mitzuwirken, Daten und Namen zu ergänzen und Biografien auszuführen. Ein bisschen wie ein Wikipedia für Pfarrpersonen.

Die «Basilea Reformata», schreibt Kirchenratspräsident Christoph Hermann in seinem Vorwort, sei «ein Buch über uns Menschen. Pfarrerinnen und Pfarrer stehen stellvertretend für viele andere, die nach dem Geheimnis des Lebens, dem Ursprung und Sinn, welche der menschlichen Existenz in all ihren Bezügen zugrunde liegen, fragen.»

 

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