«Alles war hier anders»
Wir sitzen im Kirchgemeindehaus Dulliken – im Sicherheitsabstand von zwei Metern. Aufgrund der Corona- Pandemie ist das Gemeindehaus verwaist. Ekramy Awed arbeitet hier seit Kurzem als Diakon. Das Virus ängstigt den 46-Jährigen nicht weiter. In seinem Leben hat er viele Herausforderungen erlebt.
Anschläge auf Gotteshäuser
1974 kommt Awed in einer christlichen Familie in Ägypten auf die Welt. «In meiner Heimat ist es für Christen und tolerante Muslime nicht einfach», sagt Awed. Der Staat versucht, die Kopten vor den Islamisten zu beschützen, trotzdem kommt es immer wieder zu Anschlägen auf Gottesdienste in den Kirchen, auf Moscheen und zu Diskriminierung.
Ekramy Awed will 1991 Medizin studieren, doch er verfehlt knapp den Notendurchschnitt für die Zulassung. Awed ist verzweifelt. Als er betet, kommt er zur Einsicht, dass Gott wichtiger ist als aller Erfolg. Das Wort berührt ihn so stark, dass er sein Leben Jesu übergibt. «Ich spürte in diesem Augenblick so viel Frieden in mir», erzählt er. Nach dem Erlebnis studiert er Englisch und Geografie und wird Gymnasiallehrer. 2001 zieht es ihn wegen der Liebe in die Schweiz, er heiratet. Heute hat er einen neunjährigen Sohn.
Die ersten Jahre waren wie in einem Traum
Angekommen in der Schweiz erlebt er einen Kulturschock. «Ich hatte drei Jahre lang das Gefühl, in einem Traum zu leben. Alles war anders und fremd, die Farben, das Licht, die Luft, das Essen und die Sprache», sagt Ekramy Awed.
In der Schweiz arbeitet er als Küchenhilfe, später als Arabisch-Lehrer an der Universität Bern, der Volkshochschule und der Migros-Klubschule. Seit er in der Schweiz lebt, hat er die Vision, eine reformierte, arabische Kirchgemeinde zu gründen. Er will den Menschen aus Nordafrika und dem Vorderen Orient bei der Integration helfen.
Arabische Kirche in der Schweiz gegründet
Awed studiert Theologie. 2010 gründet er die erste arabische Kirche in der Schweiz, welche die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn später als Migrationskirche anerkennen. 2013 wird Ekramy Awed in der Heiliggeistkirche in Bern ordiniert. Awed erlebt dies als einen der Höhepunkte in seinem Leben. Ergriffen zeigt er das Video dieser Feier auf seinem Handy. In seinen Kirchgemeinden – inzwischen gibt es weitere in Basel und Lugano – will er Arabischsprechenden helfen, sich in der Schweiz zurechtzufinden. Viele, gerade Asylbewerber, erlebten einen Kulturschock, sagt Awed. «Sie müssen lernen, wie das Leben hier funktioniert und wie sie sich in der Gesellschaft bewegen müssen, damit sie nicht anecken.»
Dialog mit Andersgläubigen
Auch Muslime kommen zu Ekramy Awed. Sie suchen den Dialog mit Andersgläubigen, denn in ihren Herkunftsländern ist dieser Dialog nicht möglich. Awed will sie nicht missionieren. Er will sich mit ihnen über den Glauben austauschen. Die Muslime interessierten sich für Gott, für die Persönlichkeit Jesu, von dem auch der Koran erzählt, oder für das Fasten, erzählt er. «Und natürlich fragen sie, warum man in der Schweiz nicht mehrere Frauen heiraten darf oder wie man sich hier scheiden lässt.»
Die Kirche habe unter den Muslimen viele Freunde, ist Awed überzeugt Und der IS und die Terroristen? Kein Mensch sei von Natur aus böse, versichert Ekramy Awed. Oft bereite soziales Elend den Boden für den Terrorismus.
Tilmann Zuber, kirchenbote-online
«Alles war hier anders»