News aus dem Kanton St. Gallen

Alles ist vergebens

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21.10.2019
Das biblische Buch Kohelet behandelt grundsätzliche Fragen des Lebens, welche, erklärt Pfarrerin Käthi Meier-Schwob.

«Ich betrachtete alle Werke, die unter der Sonne vollbracht wurden, und siehe, alles war nichtig und ein Greifen nach Wind.» (Kohelet 1,14)

Im Ernst – steht das wirklich so in der Bibel? Das klingt nach einer Krise, wie sie viele kennen: Was ist sinnvoll? Wo finde ich Halt? Wenn das Kosten-Nutzen-Denken ins Absurde gesteigert wird. Wenn Gewalt nicht aufhört. Wenn der Klimakollaps droht. Kann ich als Einzelne etwas bewirken oder ist mein Einsatz vergebliche Mühe, ein «Greifen nach Wind»?

Das Buch Kohelet, auch «Prediger» genannt, ist das jüngste Buch im Alten Testament. Es lohnt sich, das kleine Buch zu lesen und dem Verfasser genau zuzuhören. 

Windhauchstimmung
«Nichtig und flüchtig, alles ist nichtig», so tönt es wie ein Refrain. Das hebräische Wort für «nichtig und flüchtig» heisst wörtlich übersetzt Windhauch. Es steht für die Vergänglichkeit des Menschen und für die Vergeblichkeit aller Arbeiten und Anstrengungen. In Windhauch-Stimmung treffen sich die städtischen Kaufleute bei einem Gastmahl, wie es in der Antike gepflegt wird. Dazu gehören Gesänge und Vorträge mit philosophischen Weisheiten, in kritischer Auseinandersetzung mit dem Glauben an Gott. 

Geniesse das Leben
«Auf, iss dein Brot mit Freude, und trink deinen Wein mit frohem Herzen; denn längst hat Gott dieses Tun gebilligt» (Koh 9,7). Der Verfasser des Buches Kohelet ermutigt uns dazu, nichts aufzuschieben, sondern die Arbeit zu verrichten und das Gute zu geniessen, das Gott uns schenkt. Allen Fragen, allen Zweifeln, aller Ratlosigkeit zum Trotz.

«Alles hat seine Zeit»
Dieses Sprichwort stammt ebenfalls aus dem Buch Kohelet. «Eine Zeit für die Klage und eine Zeit für den Tanz, eine Zeit zum Schweigen und eine Zeit zum Reden.» Das hat etwas Tröstliches: Da alles ein Windhauch ist und wir nichts festhalten können, müssen wir das Schöne wieder gehen lassen. Doch auch das Schwere zieht einmal vorbei. 

Lebenskunst kann darin bestehen, zu erkennen, welche Zeit im Moment dran ist. Ist es Zeit, zu schweigen oder zu reden? Die Zeit zu trauern oder sich zu freuen? Zeit, sich zu
engagieren oder das Unabänderliche hinzunehmen – im Vertrauen, dass Gott uns in
seinen Händen hält?

Ein Gebet von Reinhold Niebuhr drückt es so aus: «Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.» 

 

Text: Käthi Meier-Schwob, Pfarrerin, Goldach | Foto: Pixabay  – Kirchenbote SG, November 2019

 

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